Vieles kann man der Regierung bei der ÖBB-Reform vorwerfen. Hast und Eile gehören nicht dazu. Im Gegenteil. Politiker und ÖBB-Manager sind bei der Umsetzung des als "Jahrhundertreform" gepriesenen Bahnumbaus bereits einigermaßen in Verzug geraten.

Die Gründe dafür liegen - zum Leidwesen von Österreichs größtem Infrastrukturunternehmen - allerdings nicht in besonderer Sorgfalt und Weitsicht, die man bei der Realisierung der Monsterreform an den Tag legt, sondern in Streitereien um Macht, Einfluss und natürlich Posten.

So gesehen ist die Zwangspensionierung von ÖBB-Personalchef Wolfgang Moldaschl wohl nur die Spitze des berühmten Eisbergs. Über die Gründe zu spekulieren ist letztlich müßig, denn es dürfte ein Mix aus Auffassungsunterschieden über die künftige Unternehmensstrategie, die Ausgestaltung gesellschaftsrechtlicher Verträge und natürlich auch Provokationen des Vorstands gewesen sein, der den ausgewiesenen Juristen den Job gekostet hat.

Sicher ist, dass der 47-Jährige für Bahn-Vorstand und Eigentümervertreter ein unangenehmer Zeitgenosse war, hat er doch mächtig Druck gemacht, den Konzernumbau rasch und - vor allem - gesetzeskonform umzusetzen. Legendär sind seine Aufforderungen in diversen Sitzungsprotokollen, die Manager mögen beim Umbau einen Zahn zulegen, weil sonst die Reform zum Stillstand komme.

Zusammen mit der exzellenten Gesprächsbasis zur machtverwöhnten Eisenbahnergewerkschaft und der Trägheit politischer Entscheidungsträger - Schwarz-Blau feilscht seit mehr als einem halben Jahr ohne Ergebnis um jeden Posten - wird so etwas leicht zum Himmelfahrtskommando.

Nun steht es einer Unternehmensführung natürlich frei, eine unliebsame Führungskraft abzuservieren. Dass es aber ausgerechnet eine Zwangspensionierung sein musste, die nicht das Unternehmen, sondern die ohnehin leeren Pensionskassen belastet, ist für den Steuerzahler mehr als eine Provokation.

Gegen die Kosten, die die ÖBB-Reform künftig noch verursachen wird, ist Moldaschls Pension jedoch die sprichwörtliche Lappalie. Denn hier droht bei den Österreichischen Bundesbahnen erst das böse Erwachen. Wenn nämlich der Güterverkehr auf der Schiene gegenüber jenem auf der Straße weiterhin das Nachsehen hat, dann bleiben auch die Einnahmen zurück und die ohnehin riesigen Finanzlöcher können auch bis 2050 nicht gestopft werden.

Darin liegt nämlich die wirkliche Tragik der Bahnreform, wie sie jetzt betrieben wird: Nicht innovative Verkehrspolitik, die die größtmögliche Auslastung des hochsubventionierten Schienennetzes zum Ziel hat, ist das Ziel, sondern Sparsamkeit. Damit möglichst viel investiert werden kann, wie es bei der Befehlsausgabe für die ÖBB-Manager heißt, die im Verkehrsministerium wöchentlich stattfindet.

Fragt sich der zahlende Bürger nur, für wen die ökonomisch riskanten, verkehrspolitisch sinnlosen und damit insgesamt unnötigen Tunnel-und sonstigen Hochleistungsprojekte überhaupt gebaut werden. Wenn die heimischen Gleise keiner (mehr) benützt, braucht es sie schlicht und einfach nicht. Das Einzige, was die Eisenbahn wirklich braucht, ist mehr Effizienz und eine bessere Performance. Sonst ist sie unattraktiv.

Vor diesem Hintergrund wäre die eigentliche Ursache des Bahn-Desasters, die mangelnde Finanzausstattung, relativ leicht zu beheben. Man streiche Milliardenprojekte wie Lainzer- und Koralm-Tunnel und stecke das Geld in Strecken, auf denen Geld zu verdienen ist. Denn die maroden ÖBB könnten allein am Zinsendienst Bankrott gehen, so viel sparen können die Eisenbahner gar nicht.

Da sich einfache Erkenntnisse wie diese bis dato aber nicht bis zu den verantwortlichen Verkehrspolitikern durchgesprochen haben, ist anzunehmen, dass der Zielbahnhof für die ÖBB ein anderer ist als derzeit am offiziellen Fahrplan steht: Filetierung und Verkauf. (DER STANDARD Printausgabe, 20.07.2004)