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Foto: APA/dpa/dpaweb/Mächler
In Glaubensdingen haben es die Österreicher zurzeit ein wenig schwer, und das nicht nur in der Gegend um St. Pölten. So gab "Die Presse" am Wochenende in großer Aufmachung ein Gespräch mit dem Vorstandschef der Voestalpine, Wolfgang Eder, wieder, wobei eine Passage ähnliche Erschütterung hervorrief wie die Bubendummheiten im Priesterseminar. Wer glaubt, dass die Voest mit Linz verheiratet sei, liege falsch, soll sich demnach der Oberhirte der Stahlkocher als betriebswirtschaftlicher Zölibatär bekannt haben.

Das Interview im Blattinneren enthielt die Heiratsformel weder in direkter noch in indirekter Rede, inhaltlich ließ es Eder laut "Presse" aber an Direktheit nicht fehlen. Auf die Frage Kann die Voest ihren Standort einfach verlegen? antwortete er: Durchaus. Wenn sie ihn verlegt, dann nachhaltig. Dann bleibt von Linz nicht sehr viel übrig. Aufgepeppt war das Bekenntnis durch den Satz: Ich sage das nicht erpresserisch.

Doch wie soll unsereiner im Glauben nicht schwankend werden, wenn man zwei Tage später, wieder in der "Presse", lesen muss, Eder habe nicht konkret mit einer Abwanderung gedroht, sondern bloß eine "Was wäre wenn"-Diskussion geführt? Und dann der Zusatz, diesmal in direkter Rede: "Die Voest bleibt mit Linz und Österreich verheiratet." Es soll ja öfter vorkommen, dass gar kein Zölibat ist, was als solches nicht erpresserisch ausgegeben wird, aber dieser Fall dürfte nur deshalb so rasch aufgeklärt worden sein, weil die weltliche Obrigkeit in Linz flotter reagiert als die geistliche im Vatikan.

Lassen uns Einflüsse von außen im Glauben wankend werden, könnte indes nichts falscher sein als ein vorschnelles Urteil. Glücklich daher das Land, das einen anerkannten Warner vor sittlicher Übereilung beherbergt und ein Blatt, dass ihm für sein Warnen sonntäglich 50 Zeilen mit Gott einräumt. Wie leicht machen es sich manche: Skandalmeldungen über angebliche Missstände in kirchlichen Einrichtungen und moralisches Fehlverhalten von Priestern werden als selbstverständliche Berechtigung angesehen, die Kirche als Ganzes abzulehnen und ihr den Rücken zu kehren, belehrte Christianus die Herde Dichands zur rechten Zeit.

Denn wie antwortet doch Bischof Krenn in selbiger Nummer einige Seiten weiter hinten auf die Aussage, die Kirche erleidet durch die Vorgänge im Priesterseminar St. Pölten einen dramatischen Imageverlust? Erraten, er antwortet: Unschuldigerweise! Dazu Christianus: Wie genüsslich glauben manche, auch ohne genaue und umfassende Prüfung, an solche Skandale und Missstände, nur um im eigenen Unfrieden mit der Lehre und den Geboten der Kirche scheinbar bestätigt zu werden.

Schämen sollten sie sich, bräuchten sie doch nur - wie die "Krone" es tut - Bischof Krenn zu fragen, was er als Verantwortlicher zu den aufgetauchten Fotos zu sagen hat, auf denen der mittlerweile zurückgetretene Subregens zungenküssend mit einem Seminaristen zu sehen ist. Hatte er neulich noch gewusst, dass der Zungenkuss nur ein Weihnachtskuss war, so hat sich sein Wissensstand seither gehoben. Jetzt hab ich aber gehört, dass die Fotos möglicherweise gestellt sein sollen.

Wer nun fragt, warum ein Weihnachtskuss, der doch reinen Herzens appliziert wird, extra gestellt sein soll, versucht schon wieder, im eigenen Unfrieden mit der Lehre und den Geboten der Kirche scheinbar bestätigt zu werden. Doch - so Christianus - dieser Versuch ist ein Trugschluss. Die Heiligkeit der Kirche auf Erden ist eben eine unvollkommene: Weizen und Unkraut wachsen nebeneinander. Das wäre noch kein Grund, einander gleich zu küssen; auch könnte man über das Oxymoron der unvollkommenen Heiligkeit ins Sinnieren kommen, aber egal: Die menschlichen Glieder der Kirche, auch Priester, Bischöfe und Päpste, sind der Versuchung ausgesetzt und können sich auch verfehlen.

Ist seit Jahrhunderten bekannt, geht aber im Einzelfall laut Bischof Krenn die Bischofskonferenz und daher erst recht die Herde einen Dreck an. Macht doch Christianus kein Hehl daraus: Der Herr der Kirche hat aber diese unvollkommenen Werkzeuge erwählt, um sein Werk auf Erden weiterzuführen. Und zwar im Sinne von Bischof Krenn: Bestätigt ist noch gar nichts. Wir müssen jetzt einmal in Ruhe die Untersuchungen abwarten. Was uns dabei schützt, ist das gute Gewissen.

Nicht vergessen werden darf auch - so will es Christianus - dass es viele Diener der Kirche gibt, die sich heroisch mühen, die Übereinstimmung von persönlicher Lebensführung und amtlichem Auftrag zu erlangen. Dass Heroismus erforderlich ist, um aus innerer Berufung im Weinberg des Herrn zu arbeiten, zeugt von der allgemeinen Verschärfung der Arbeitsbedingungen. Ein Diener der Kirche, der sich heroisch müht, ist jedenfalls Günther Nenning, der gestern, ebenfalls in der "Krone", jammerte: In der christlichen Garderobe fehlt der Mantel der christlichen Nächstenliebe - wer sticht ihn besser ab, den dicken Bischof. Daher: Die Atheisten lachen sich ins Fäustchen oder sonstwohin!

Eher sonstwohin, fordert Nenning doch: Schaffen wir den Zölibat ab. Weil das Nenning aber einen Dreck angeht, sticht ihn sein Kolumnistenkollege, der dicke Bischof, eiskalt ab: Immer wenn was los ist, dann ist sofort der Zölibat schuld. Weil 's wahr ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.7.2004)