
Manche Studien werden in Auftrag gegeben, abgeliefert - und verschwinden dann in einer Schublade. Vielleicht, weil die Veröffentlichung dem Auftraggeber nicht mehr opportun erscheint. Oder das Ergebnis nicht in die politische Stimmungslage passt.
Nicht viel anders ist es der IHS-Studie mit dem Projekttitel "Auswirkungen der Einführung eines beitragsorientierten Pensionskontos" ergangen. Im Jahr 2002 vom Sozialministerium in Auftrag gegeben, wurde sie vor wenigen Wochen fertig und liegt seitdem unter Verschluss. Zu recht, zumindest aus Sicht der Auftraggeber.
Denn das 90 Seiten dicke Papier, das dem STANDARD vorliegt, führt in dramatischer Weise das Finanzierungsproblem des österreichischen Pensionssystems vor Augen - aktuell und auch nach der Harmonisierung.
Die Studie versucht die Entwicklung des österreichischen Pensionssystems bis zum Jahr 2050 zu prognostizieren. Durchgerechnet wurden jeweils der Finanzierungsbedarf sowie die Pensionsniveaus bis zum Jahr 2050. Die Berechnungen wurden mit dem von der Weltbank entwickelten Simulationsmodell PROST durchgeführt. Insgesamt fünf verschiedene Szenarien wurden durchgespielt: Ein Status-quo-Szenario, das die altersspezifischen Erwerbsquoten des Jahres 2000 fortschreibt - die aufgrund der Bevölkerungsalterung in Summe sinken werden. Ein Szenario "Rechtslage 2000", das die Maßnahmen der Pensionsreform 2000 berücksichtigt. Und drei optimistischere Szenarien, die von einer niedrigen, mittleren sowie hohen Erwerbsquote ausgehen, wie sie auch die Kommission zur langfristigen Pensionssicherung im Jahre 2002 angenommen hat (siehe Grafik).
Gewaltige Finanzlücke
Das niederschmetternde Ergebnis: Auch unter günstigen Bedingungen klafft im Pensionssystem der Zukunft eine gewaltige Finanzlücke. Selbst im außerordentlich günstigen mittleren Szenario der Erwerbsbeteiligung kommt es zu einem Anstieg der Ausgaben auf 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit zu einer Verdoppelung des Finanzierungssaldos in der Pensionsversicherung von 2,39 Prozent (4,9 Mrd. Euro) auf über 6,18 Prozent (30,7 Mrd. Euro).
Die Finanzierungsproblematik wird auch durch die Einführung eines "leistungsorientierten Pensionskontos", wie es die Regierung plant, nicht gelöst. "Der Begriff Pensionskonto wird hier missbräuchlich verwendet", meint einer der Studienautoren.
Dass ein Versicherter nach 45 Beitragsjahren mit 80 Prozent des durchschnittlichen Lebensverdienstes in Pension geht, wie die Regierung nun verspricht, wäre in einem streng beitragsorientierten Pensionssystem nicht haltbar.
De facto versteckt sich hinter dem jetzt geplanten "leistungsorientierten Pensionskonto" lediglich eine weitere "parametrische" Reform des bestehenden Systems, die einzelne Parameter des Pensionssystems ändert, die Grundstruktur aber unangetastet lässt.
Schwedisches Vorbild
Die nächsten "Nachjustierungen" sind nach Meinung der IHS-Experten programmiert: "Die Versicherten werden also entweder als Steuerzahler selbst die Zeche bezahlen oder schon sehr bald weitere Pensionskürzungen in Kauf nehmen müssen."
Die IHS-Studienautoren schlagen daher eine radikale Neuordnung des österreichischen Pensionssystems nach schwedischem Vorbild vor.
Kern der Überlegung ist, ein sich selbst tragendes Basissystem in Form eines beitragsdefinierten Pensionskontos zu installieren. Dieses funktioniert wie ein Sparkonto - die Verzinsung wächst mit der Lohnsumme aller Versicherten.
Die Pensionen werden dadurch natürlich niedriger. Gemessen an der durchschnittlichen Beitragsgrundlage bewegt sich die Ersatzrate in einem beitragsorientierten System im Jahr 2050 je nach Szenario zwischen 35 und 60 Prozent für Männer und 21 und 45 Prozent für Frauen.
Die zu erwartenden Verluste sollen über den Aufbau einer zweiten und dritten privaten Pensionssäule ausgeglichen werden. Wer fünf Prozent in eine private Pensionsvorsorge investiert, kann - ein hohes Erwerbsquotenszenario vorausgesetzt - mit der nahezu gleichen Rente rechnen wie heute. Fazit der Studienautoren: "Insgesamt böte ein Dreisäulensystem mit einem beitragsdefinierten Kontensystem im Kern realistische Chancen, das derzeitige Versorgungsniveau zu sichern."