Paris/Jerusalem - Frankreich und Israel haben am Dienstag ihren Willen zur Beilegung des diplomatischen Streits um die Antisemitismusvorwürfe des israelischen Premierministers Ariel Sharon signalisiert. "Wir warten immer noch auf eine Erklärung", sagte Frankreichs Außenminister Michel Barnier am Dienstag unter Bezug auf Sharons Vorwürfe, in Frankreich herrsche "wildester Antisemitismus". Gleichzeitig vermied er jedoch eine weitere Zuspitzung des Konflikts und sprach von einem "Missverständnis".

Israel bereitet eigenen Angaben zufolge eine Erklärung zu Sharons Äußerungen vor. Dieser hatte den in Frankreich lebenden Juden am Sonntag geraten, nach Israel auszuwandern. Am Dienstag erneuerte Sharon in einer Erklärung seines Büros diese Empfehlung. Die jüdische Gemeinde Frankreichs ist die größte in Europa.

Unerwünschter Besuch

Noch am Montag war in Paris ein geplanter Besuch Sharons in Frankreich infrage gestellt worden, sollte dieser nicht die gewünschten Erklärungen liefern. Barnier wollte am Dienstag dazu nicht mehr Stellung nehmen. Richtig sei jedoch, dass es sich um ein ernsthaftes Missverständnis handele, das grundlegende Prinzipien in Frankreich, etwa der Gleichheit, berühre, sagte der Außenminister in einem Radiointerview. "Um unsere Beziehungen zum israelischen Staat zu bewahren und zum israelischen Volk, das unser Freund ist, müssen wir uns jetzt Zeit für besseres gegenseitiges Verständnis nehmen."

Ein israelischer Regierungssprecher führte die Auseinandersetzung auf "kulturell bedingte Missverständnisse" zurück. "Wir betrachten Frankreich als einen befreundeten Staat, mit dem wir uns einen intensiven Dialog wünschen", sagte Avi Pazner. Während auch Pazner von einem Missverständnis sprach, bezeichnete ein enger Mitarbeiter Sharons den Disput als "Sturm im Wasserglas". "Wie Sie wissen, ist Israel ein zionistischer Staat. Wir raten Juden immer, nach Israel auszuwandern. Das ist also nichts Neues", erklärte der israelische Innenminister Avraham Poras gegenüber Journalisten. (Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 21.7.2004)