Willkommen im "War Room ’04": Eine Woche vor dem Nominierungskongress der US-Demokraten in Boston, wo der hölzerne Kerry und Edwards mit dem makellosen Gebiss auf den Schild gehoben werden, feuern die Wahlkampfstrategen beider Lager nun aus den Schießscharten ihrer Hauptquartiere. Die Republikaner um Präsident Bush tüftelten die "Berger-Affäre" aus, die Demokraten fanden eine neue Episode des "Halliburton-Skandals", jenes Ölkonzerns, dem US-Vizepräsident Dick Cheney noch vor vier Jahren vorsaß.
Sandy Berger, Sicherheitsberater des früheren Präsidenten Clinton und Berater des Kandidaten Kerry, holte sich vergangenen Herbst geheime Dokumente aus dem Staatsarchiv. Vielleicht war er ein wenig zerstreut (seine Version), vielleicht hat er Kerry Munition für den Wahlkampf gegeben (die Version der Republikaner). Das Bush-Team hat jedenfalls seinen Rücktritt erreicht und zumindest auch noch den Versuch unternommen, den am heutigen Donnerstag erwarteten, für den Präsidenten eher verheerenden Untersuchungsbericht zu 9/11 und den angeblichen Fehlern der Regierung abzuschwächen. Denn wer weiß, was Berger alles an belastendem Material der Clinton-Ära aus dem Archiv mitgehen ließ und in den Reißwolf steckte?
In den "war rooms" wird nur noch in Schaukelbildern gedacht. Den unentschlossenen Wähler gilt es zu gewinnen, der einmal mehr Bush, dann wieder Kerry zuneigt; das halbe Dutzend strategischer Bundesstaaten ist zu erringen, die das Ergebnis zum Kippen bringen wie auf einer Waage am Gemüsestand. Bis zur Wahl im November werden sich Affäre und Gegenaffäre aus dem Lager der Kandidaten jagen. Einige, wie die um Sandy Berger, werden schnell verrauchen. Andere, wie Halliburtons Iran-Geschäfte, kratzen weiter am Image der Bush-Regierung. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.7.2004)