Grünes Licht für die umstrittene Erweiterung der Gletscherskigebiete im Pitz- und Kaunertal will die Tiroler Landesregierung mit einem nun vorliegenden Raumordnungsprogramm geben. So sieht es der Alpenverein und zeigt sich empört. CENTER>***

Innsbruck - "Offenbar wollte die ÖVP ein Wahlkampfversprechen möglichst rasch einlösen", sagt der Verfassungsrechtler Karl Weber in seiner Funktion als Sachwalter für Natur und Umweltschutz im Österreichischen Alpenverein (ÖAV) und wirft der Landesregierung vor "unter dem Druck der Wirtschaft" überhastet vorzugehen.

Im Mai hatte der Landtag mit den Stimmen von VP, SP und FP den Gletscherschutz im Naturschutzgesetz mit dem Ziel aufgeweicht, in zwei der fünf Tiroler Gletscherskigebiete Erweiterungen zu ermöglichen. Der jetzt vorliegende Entwurf zu einem Raumordnungsprogramm verdiene diesen Namen nicht, kritisiert Weber, weil keinerlei planerische Maßnahmen vorgesehen seien. Da heißt es etwa: "Die Erweiterung der Gletscherskigebiete muss im wirtschaftlichen, insbesondere touristischen Interesse der Region gelegen sein", zitiert Weber. Derartige Inhaltsleere sei "juristisch sehr problematisch" und eine Blankoermächtigung.

Weber geht davon aus, dass ein derartiges Programm im Sinne einer am Dienstag in Kraft getretenen EU-Verordnung einer "strategischen Umweltprüfung" (SUP) zu unterziehen wäre. Dieses Instrument ziele darauf ab, Auswirkungen etwa auf den Verkehr, die Tourismusstruktur und die Abfallwirtschaft eines betroffenen Tales zu untersuchen, bevor detaillierte Projektpläne vorliegen. Der Verzicht auf eine SUP-Prüfung sei allerdings rechtlich ohne Konsequenzen, betont Weber.

Einmalig in Ostalpen

"Der Gepatschferner ist gemeinsam mit der Pasterze der größte Gletscher der Ostalpen", nimmt ÖAV-Raumplaner Peter Haßlacher zum Projekt im Kaunertaler Skigebiet Stellung. Ein derartiges Gletscherhochplateau sei auch landschaftlich in den Ostalpen einmalig und nicht zufällig als Natura 2000-Gebiet ausgewiesen. Haßlacher gibt sich kämpferisch, dass das Projekt in einem UVP-Verfahren beziehungsweise durch die Alpenkonvention noch zu Fall gebracht werden kann.

Bei den Erweiterungsplänen am Pitztaler Gletscher formuliert Haßlacher unter anderem alpintouristische Bedenken gegen die skitechnische Erschließung des "Karlesferner" und des "Hangender Ferner". In unmittelbarer Nähe zur 1892 errichteten Braunschweiger Hütte zählen diese beiden Gletscher zu den attraktivsten und wertvollsten Ausbildungsstätten für hochalpines Bergsteigen, seit Jahrzehnten auch von Gendarmerie, Bergrettung und alpinen Vereinen genutzt. Sinnvoller Ersatz für dieses Gelände sei kaum zu finden, die Braunschweiger Hütte würde ökonomisch kaum zu halten sein, fürchtet Haßlacher.

Unterschätzt werde aus Haßlachers Sicht die internationale Bedeutung der Causa. Die "Ötztaler Alpen sind ein Glanzpunkt der Ostalpen" und im gesamten Gebiet gebe es fast nur Hütten des Deutschen Alpenvereins.

Im Büro von Naturschutzlandesrätin Anna Hosp (VP) geht man davon aus, dass die Verordnung noch im Herbst beschlossen wird. Mit Projektanträgen sei noch heuer zu rechnen, die einer UVP unerzogen würden. Die urlaubende Landesrätin ließ mitteilen, dass sie sich der beschränkten Ressourcen in Tirol bewusst sei, es gehe "nur um eine geringfügige Erweiterung bestehender Skigebiete". (hs, DER STANDARD Printausgabe 22.7.2004)