Die Vorschusslorbeeren hätten üppiger kaum sein können. Ein mutiger Reformer, großer Dynamiker, starker Präsident: All das wurde über Romano Prodi gesagt - allerdings nicht lange. Mit jedem Monat seiner Arbeit als Kommissionspräsident schwand die Begeisterung, weil Prodi mehr zauderte als entschied und mehr zweifelte als führte. Und sich als schwacher Chef erwies, der dem selbstbewussten Haufen der Kommissare und Regierungschefs nichts entgegensetzen konnte.

Bei seinem Nachfolger, José Manuel Durao Barroso, könnte es umgekehrt sein. Nach langem Streit und gegenseitigen Blockaden hatten sich die Staatschefs auf Barroso geeinigt - womit dieser den Ruf des schwachen Kompromisskandidaten weg hatte. Erfüllungsgehilfe oder williger Vollstrecker der Befehle der Regierungschefs: das waren noch die höflichsten Beschreibungen, mit denen Barroso als Schwächling abgestempelt wurde. Allerdings: Schwächlinge sehen anders aus als Barroso bei seiner Präsentation im EU-Parlament. Energisch pochte Barroso auf sein Machtwort bei der Ernennung der Kommission und erteilte, quasi als Beleg, dem deutschen Begehr nach dem Superkommissar eine Absage. Schluss mit super - mit der Devise hat Barroso das Stärkezeichen gegeben, das er dringend braucht, um den miserablen Hautgout seiner Nominierung abzuschütteln.

Seine erste Feuertaufe hat Barroso damit bestanden. Allerdings: Verbales Muskelspiel ist eine relativ einfache Übung. Die wirkliche Bewährungsprobe steht Barroso erst bevor. Er muss die angekündigte Stärke in den Verhandlungen mit den Staatschefs in die Tat umsetzen. Selbst der Gewinn dieses Postenpokers macht noch keinen starken Präsidenten. Dafür braucht Barroso Schwerpunkte - die bisher nicht auszumachen sind. Außer vagen Signalen in alle Richtungen und der Verteidigung des Irakkriegs hat Barroso inhaltlich nichts geboten. Der starke Auftritt im Europaparlament war ein Beginn. Mehr aber nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 23.7.2004)