Wer bisher gedacht hat, das Ausfüllen einer Steuererklärung in Deutschland stelle das Höchstmaß an Herausforderungen dar, wird eines Besseren belehrt. Die Formulare für das Arbeitslosengeld II, das Langzeitarbeitslose ab 2005 erhalten, sind nicht nur 16 Seiten lang, auch die Anforderungen sind teilweise eine Zumutung. Wer hat sich das nur ausgedacht, dass der Arbeitgeber des Partners den Verdienst auf dem gleichen Formular bestätigen muss, auf dem auch die Angaben über Lebensversicherungen, Immobilienbesitz oder etwaige Wertgegenstände zu sehen sind? In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob nun die von Oma geerbte Perlenkette ebenso aufgelistet werden muss wie das Bild, das man auf einem Flohmarkt erworben hat. Daraus ergeben sich nun weitere Fragen, wie etwa nach dem Wert von Schmuck und Bildern. Um sie ehrlich beantworten zu können, müssten die Antragsteller vorher Gutachten einholen.
Es ist kein Wunder, dass die zuständige Bundesagentur für Arbeit den Betroffenen Beratung zugesteht. Aber warum müssen diese Aufgabe ausgerechnet 800 Beamte der Telekom aus Westdeutschland übernehmen, die für ihren Einsatz im Osten eine Prämie von 5000 Euro zusätzlich zu Gehalt, Diäten und vier Heimfahrten pro Monat bekommen? Dass fast 15 Jahre nach dem Mauerfall noch eine Art "Buschzulage" für den freiwilligen Einsatz in den neuen Bundesländern bezahlt wird, ist für Ostdeutsche nicht nur eine Zumutung, sondern eine Beleidigung. 5000 Euro - das ist der Betrag, mit dem ein Arbeitsloser künftig eineinviertel Jahre auskommen muss, da die Unterstützung in Ostdeutschland nur noch 331 Euro pro Monat beträgt.
Die Anforderung eines Nachweises, dass jemand staatliche Unterstützung tatsächlich nötig hat, ist selbstverständlich. Aber die Art der Umsetzung der Arbeitsmarktreform lässt Sensibilität vermissen und trägt nicht dazu bei, die Akzeptanz zu erhöhen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.7.2004)