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Hamburg/Imst - "Obst mal 5" soll es richten. Die Ernährungskampagne in Tirol soll Bürger und Bürgerinnen dazu ermuntern, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen. Damit soll die Volksgesundheit verbessert werden. Aber enthalten Früchte und Gemüse genügend Vitamine und Mineralstoffe für den täglichen Bedarf?

Eine von der Universität Hamburg begleitete Studie lässt aufhorchen: Das beauftragte Labor stellte markante Verschlechterungen der Nährstoffgehalte fest. Beim Apfel gingen die wichtigsten Mineralstoffe in den letzten zehn Jahren um 87 Prozent zurück - vor allem Eisen, Kalzium und Kupfer. Der Gehalt von Vitamin B und C ist im Apfel um 26 respektive 96 Prozent geringer. Tomaten enthalten um 6 Prozent weniger Eisen, um 65 Prozent weniger Kupfer und um die Hälfte weniger Vitamin C. Kartoffeln verloren die Hälfte an Eisen.

Die Ernährungswissenschafterin Susanna Finzel, die die Studie begleitete, erklärt die Ergebnisse mit Ernten nach "ökonomischen, nicht ökologischen Kriterien". Nur vollreifes Obst und Gemüse entwickle den optimalen Nährstoffgehalt. Jedoch gelangen Obst und Gemüse selten vollreif ins Verkaufsregal. Die Studie ging vom "typischen Verbraucher und dessen Warenkorb aus, den er nach der Arbeit einkauft", sagt Finzel. Bei Raumtemperatur gelagertes Obst und Gemüse wurde bei verschieden großen Lebensmittelgeschäften eingekauft. Die Analysewerte verglich das Labor mit dem Standardwerk der Ernährungswissenschaft, den Nährstofftabellen von Souci, Fachmann und Kraut von 1994. Ein Kontrolltest zwei Wochen später zeigte dieselben Ergebnisse wie beim ersten Mal.

Franco Weibel vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick hält wenig von den Hamburger Ergebnissen. "Warenkorbstudien" entsprächen zwar der Konsumentensicht, seien aber zufällig. Man wisse zu wenig über den Anbau, den Erntezeitpunkt, die Lagerung oder den Transport. Hiobsbotschaften wie jene aus Hamburg verunsichern jüngst Konsumenten. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau etwa verglich Nährstofftabellen aus fünf Jahrzehnten von McCance, Geigy und Souci, Fachmann und Kraut. Die Bilanz: Bei vier Fünfteln aller Stoffe gab es keine nennenswerten Veränderungen - bei Gemüse jedoch schon: Insgesamt enthalte es um 22 Prozent weniger Vitamin C, um 32 Prozent weniger Vitamin B2, um 29 Prozent weniger Magnesium und um 57 Prozent weniger Kupfer. Obst hingegen enthalte zwar drei Prozent weniger Magnesium, jedoch 168 Prozent mehr Folsäure und 19 Prozent mehr Vitamin C. Agrarwissenschafter Weibel bleibt skeptisch. Denn mehr Mineralien und Vitamine heiße nicht automatisch "gesünder": Wichtig für "gesundes" Obst und Gemüse sei vor allem die Harmonie und die Ausgewogenheit der Inhaltsstoffe. (Stefan Müller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 7. 2004)