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Foto: APA/epa/Artinger
Die Erleichterung darüber, dass das Vaterland künftig in Brüssel nicht von einer linken Emanze vertreten wird, äußerte sich medial unterschiedlich, war indes allgemein - musste doch eine leidende Öffentlichkeit Benitas berühmtem Mienenspiel ablesen, wie ihr der Sieg Heinz Fischers das Leben im Außenamt verbittert. Nun wird sie erlöst. Die Frage ist nur, von wem.

Der Kanzler kann sich kraft seines Amtes nicht ganz aus der Verantwortung stehlen, versuchte sie aber sofort ein wenig abzuschieben. Schüssel betont im Gespräch mit der "Presse", dass es der ausdrückliche Wunsch von Kommissionspräsident José Barroso gewesen sei, die frühere Präsidentschaftskandidatin zu nominieren. Und "Die Presse" betont das in dem Titel Schüssel: "Barroso wollte Ferrero-Waldner."

Wenn ohnehin Barroso schuld ist, darf sich das Blatt erlauben, ein wenig auf kritische Distanz zu gehen. Ob die Entscheidung für die Außenministerin auch für Österreich die beste ist, muss freilich bezweifelt werden. Für Schüssel war das Landeswohl schon kein Kriterium, als er die Entscheidung zu treffen hatte, ob eine schwarz-blaue Koalition für Österreich das Beste wäre. Doch was hat Herr Barroso gegen Österreich?

Was der Salzburgerin mit dem berühmten Kampflächeln aber fehlt, ist das politische Gespür, fährt "Die Presse" fort, in Brüssel ist diplomatischer Charme zweitrangig. Egal, menschlich kann man das ja verstehen . . . Sie war seine - Schüssels - Statthalterin im Außenministerium, seine Frontkämpferin in den Zeiten der Sanktionen, seine glücklose, aber tapfere Präsidentschaftskandidatin - der deshalb ein attraktiver internationaler Posten gebührt.

So schaut 's aus: Glücklos, aber tapfer - und schon gebührt einem ein attraktiver internationaler Posten. Nur weg mit ihr, denn: Hätte Benita Ferrero-Waldner nach der verlorenen Präsidentenwahl noch lange auf ihrem Rückkehr-Posten verweilen müssen, es hätte sie nicht glücklich gemacht. Und wer möchte Schüssels Statthalterin in all ihrer Glücklosigkeit auch noch unglücklich sehen?

Großes Glück hatte hingegen Österreich, wie die "Salzburger Nachrichten" klar machten. Benita Ferrero-Waldner ist die logische Kommissarin, behauptete das Blatt. Der Schreck! - Sie hätte die Bundespräsidentenwahl gewonnen, und wir hätten eine unlogische Kommissarin nach Brüssel schicken müssen! Ob sich Herr Barroso um die auch so gerissen hätte? Für die "SN" war es auch keine Überraschung, als der Bundeskanzler diesmal ohne das übliche Zögern die Kandidatur Ferreros am Dienstag offiziell bekannt gab.

Das sah der "KURIER" am Mittwoch aber ganz anders. Glaubt man dessen Chefredakteur, würde Schüssel noch immer zögern, gäbe es sein Blatt nicht. Am Montagabend hatte der "KURIER" die Schlagzeile: "EU-Kommissare: 21 sind schon fix, Schüssel zögert." Dienstagvormittag hatte die Austria Presse Agentur eine Eilt!-Meldung: "Ferrero-Waldner wird neue österreichische EU-Kommissarin". Gegen den KURIER könne man nicht regieren, sagte einst ein Bundeskanzler. Das war übertrieben, fand Christoph Kotanko nicht ohne Koketterie, wie vieles, das über die Macht der Medien geredet wird. Keiner weiß das besser als Wolfgang Schüssel.

Und trotzdem: Die begründete öffentliche Kritik an der langen Nicht-Entscheidung des Regierungschefs - nur die "Salzburger Nachrichten" hätten die Tropfenfolter noch wochenlang ausgehalten - ging diesem auf die Nerven. Daher verkündete er gestern seine Wahl.

Führt der "KURIER" den Kanzler am Gängelband, muss er auch dessen Kreation preisen, wenigstens relativ. Verglichen mit manchen künftigen Kolleginnen und Kollegen in der Kommission ist Ferrero-Waldner sogar eine Lichtgestalt. Sie hat aber auch einige andere Vorteile für Schüssel, die Österreichs Beliebtheit in der EU gewiss steigern werden: Sie ist ihm gegenüber absolut loyal. Diesen Ruf hat nicht jeder, der als EU-Möglichkeit gehandelt wurde. Da mag noch so sehr vom europäischen Denken gefaselt werden - Schüssel braucht an höchster Stelle in Brüssel eine Vertrauensperson. Die bekommt er.

Ferrero ist nicht zweite Wahl, nährte die Grazer "Kleine Zeitung" einen allgemeinen Verdacht und bekräftigte ihn gleich: Ebenso wichtig für Schüssel ist auch, dass der Abgang von Ferrero kein Loch in seine Regierung reißt. Man stelle sich den Krater vor, den ein Abgang von Rauch-Kallat hinterlassen hätte! Das einzige Blatt, das vorbehaltlos und sachlich zu der Entscheidung stand, war wieder einmal die "Krone": Wenn der grüne Europaabgeordnete Voggenhuber die Bestellung von Benita Ferrero-Waldner zur neuen EU-Kommissarin Österreichs heruntermacht, dann kann man getrost davon ausgehen, dass es sich um eine gute Wahl handelt. Dieser hellsichtige Dunkelmann! (DER STANDARD; Printausgabe, 30.7.2004)