Denn: Sollte die gesamte - 2001 gestartete - Doha-Runda scheitern, wäre die gesamte Idee eines für alle freien Welthandels gefährdet gewesen. Und das wäre gerade in einer Zeit, in der die Spitzen der mächtigsten Volkswirtschaft der Welt, die USA, unverhohlen mit protektionistischen Mitteln arbeiten, gerade für die Dritte Welt ein Desaster gewesen. Denn in bilateralen Verhandlungen ist ein armes Land einem finanzstarken Industriestaat, das Zugang zu den Märkten fordert, quasi ausgeliefert - schon alleine der Verhandlungsinfrastruktur und des eingesetzten Fachpersonals wegen.
Bessere Dramaturgie
Die WTO als die den Prozess real gestaltende (besser: moderierende) Organisation hat zunächst eine Lehre gezogen: Bessere Vorbereitung ist vonnöten. In Cancún waren die Industrieländer beispielsweise völlig überrascht vom starken Auftreten der G20-Schwellenländer-Gruppe unter der Führung von Brasilien und Indien. Am Ende gingen Arm und Reich feindselig auseinander. Doch seit dem September 2003 ist vieles geschehen. Die EU-Kommission beispielsweise ging in zahlreiche Diskussionsrunden mit EU-Parlamentariern, Interessenverbänden und Non-Governmental Organizations.
Auch die NGOs trugen wesentlich dazu bei, dass die WTO symbolisch ihr Gesicht wahren durfte: Gewalttätige Proteste à la Seattle oder Genua wurden unterlassen, lediglich die Anti-Armutsorganisation Oxfam veranstaltete ein Happening mit Gummipuppen. Greenpeace und Attac beschränkten sich auf schriftliche Kritik, nachdem das endgültige Abkommen unterschrieben worden war.
Für Genf war die Dramaturgie jedenfalls verbessert worden: Sowohl die Schwellenländer wie auch die 90 ärmsten Länder der Welt wurden von Anfang an eingebunden, als es hieß, Diskussionspapiere schon im Vorfeld zu formulieren. Globalisierungskritiker merken hiebei an, dass es der Armada an hochspezialisierten Juristen aus den Industriestaaten dabei ein leichtes gewesen sei, die Vertreter der Drittweltländer mit Scheinzugeständnissen über den Tisch zu ziehen. Nur: Was wäre die Alternative für die armen Länder gewesen, als sich diesen Vorbereitungen zu stellen?
Und immerhin wurden Themen wie etwa der Investitionsschutz von den Industrieländern zurückgestellt, um dem Thema Landwirtschaft - seit dem Gipfel in Seattle der Hauptstreitpunkt im Welthandel - mehr Gewicht zu verleihen. Auch das ist ein Symbol des guten Willens der EU.
Finanzdruck
Für die Europäer kann eine Einigung auf den Abbau der eigenen Agrarsubventionen insofern auf einen "guten Tag" fallen (Zitat Landwirtschaftskommissar Franz Fischler), weil damit auch die USA, deren Farming Industry über günstige Exportkredite milliardenschwer unterstützt wird, prinzipielle Zugeständnisse machen musste.
Beide Blöcke sind zusätzlich unter Finanzdruck. Budgets werden massiv entlastet, wenn die im Vergleich zur volkswirtschaftlichen Bedeutung absurd hohen Agrarförderungen sukzessive wegfallen. Dass die Subventionen schlagartig aufhören zu existieren, glaubt ohnehin niemand (Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac attackierte zwischendurch wütend die EU-Verhandlungsführer, da er glaubte, man sei bereit, einem Vorschlag Japans zuzustimmen, der die Abschaffung zu einem "glaubwürdigen Endtermin" vorgesehen hatte). Außerdem: Es gibt andere Formen, der Klientel der Bauern Geld zukommen zu lassen als Direktsubventionen.