Foto: Michael Grünwald
Der Weg ist beschwerlich. Stille Wasserläufe durchbrechen den grauen, aber feinen Sand und ergießen sich in den tosenden, niemals müde werdenden Brandungswellen des Pazifik. Immer wieder müssen wir unsere Schuhe ausziehen und, mühsam die Balance haltend, steinige Flussbette überqueren. Es gibt keine Brücken im Corcovado Nationalpark auf der südwestlichen Halbinsel Osa nahe der Grenze Panamas.

Das Wasser demonstriert seine Macht. Die üppige Küste verbirgt sich hinter immer wieder verändernden, zarten Nebelschwaden. Palmen, Wurzeln und wuchernde Pflanzen wirken wie prähistorische Wesen.

Es ist Regenzeit in Costa Rica

Man sagt, während des Monats Juli schiebe sich eine kurze Trockenperiode, die bislang noch als Geheimtipp gilt, zwischen Phasen dauernden Regens. Zugegeben, die Feuchtigkeit frisst sich an allem fest, das Atmen fällt schwerer und das Licht fällt wie durch Milchglas auf eine traumartige Landschaft. Doch nirgendwann sonst hätte ich solch eine Fülle an Leben angetroffen. Leben, das sich regt und bewegt, blüht, wächst und in ihren Formenreichtum das Auge des Betrachters begeistert.

Wegen dieser Fülle bin ich hier. Ausgerüstet mit zwei Kameras und diversen Objektiven bin ich in einem etwas kargen Zeitrahmen von drei Wochen in der Schweiz Mittelamerikas unterwegs, um Nationalparks und Reservate zu besuchen und diese photographisch zu dokumentieren.

Quer durchs Land sind wir gefahren, haben das Schlechtwettereck der karibischen Südküste hinter uns gelassen, die höchste, in dichte Wolken getauchte Erhebung der Interamericana mit dem bezeichnenden Namen „Gipfel des Todes“ mit viel Glück bewältigt und den pazifischen, trockeneren Südteil des Landes erreicht, welcher zu den atemberaubendsten Naturdenkmälern zählt, die ich bislang kenne.

Es wimmelt von Leben

Nahe der Küste, tief im dichten Grün des Küstenregenwaldes, wimmelt es von Leben. Was den Corcovado-Nationalpark unter anderem so besonders macht, ist die Tatsache, dass er eine der letzten Populationen roter Aras beherbergt. Neben laut krächzenden Tukanen, deren gewaltige Schnäbel das gleißende Licht der Tropensonne reflektieren, erheben sich ganze Schwärme rot-blau-gelb-gefärbter Geschöpfe aus den obersten Wipfeln der Baumriesen. Ein Bild, dass sich ins Gedächtnis brennt, ähnlich einer leidenschaftlichen Symphonie, sowohl fürs Auge als auch fürs Ohr.

Während wir schweißnass und mit hochroten Köpfen einem Trekkingpfad folgen, bewegt sich unentwegt etwas im Gebüsch. Über, unter und neben uns. Ich hoffe, der Begegnung mit einer Bushmaster zu entgehen. Sie ist die gefährlichste Giftschlange des Landes. Eine, die in die Offensive geht und ihr Opfer, nachdem sie zugebissen hat, so lange nicht in Ruhe lässt, bis es tatsächlich hinüber ist. Immer wieder hat man uns davon erzählt, von diesem Mythos, von dieser über allem schwebende Gefahr, die dieses allerdings wunderschön anzusehende Geschöpf in den Köpfen der Einheimischen darstellt.

Vom Aussterben bedroht

Als würden die Bäume zu aktivem Leben erwachen, biegen sich Äste und fallen Blätter in der windstillen, satten Hitze völlig unmotiviert zu Boden. Abermals – wie so oft – bleiben wir stehen und beobachten. Erst nach längerem Hinsehen schälen sich aus dem Schatten kleine, braune Affen mit hellen, ockerfarbenen Schultern und Köpfen, die allerdings, wie bei den Mönchen des Kapuzinerordens, eine dunkle Haarkappe zu tragen scheinen. Davon leitet sich ihr Name ab.

Weibchen, Männchen und Babys drängen sich um uns herum, von Neugierde gepackt, gepaart mit Furcht und dem Verlangen, vor uns zu flüchten. Wenig später entdecken wir Klammeraffen, benannt nach ihrem greifarmartigen Schwanz, den sie elegant um Äste schlingen können, um alle Arme und Beine frei zu haben, wenn es etwas Essbares zu holen gibt. Ihr schokoladebraunes Fell schimmert golden. Die Gesichter wirken ernst, nachdenklich.

Als seltenes Geschenk der Natur betrachte ich das orangefarbene Totenkopfäffchen, welches klein, zierlich und mit flinken Bewegungen über unseren Köpfen hinwegspringt, im Schutz eines Astes verweilt, uns und alles andere um uns herum mit ruckartigen, fast schon genickbrechenden Kopfbewegungen beäugt und dann im Dunkel verschwindet.

Der Wald als eine letzte Zuflucht

Der Himmel wird dunkelgrau. Gegen Nachmittag beginnt es zu regnen. Mit dem Regen kommt die Flut und schneidet uns mehr oder weniger den Rückweg ab. Da das letzte Stück zurück zum Büro der Nationalparkverwaltung am Strand entlang erfolgt, hätten wir keine andere Möglichkeit, der Brandung zu entkommen als auf Bäume zu klettern. Also werden wir nass, von Kopf bis Fuß, bis unter die Haut. Der Regenschutz wirkt lächerlich. Der Himmel scheint sich darüber zu amüsieren und schickt noch mehr Regen. Die Schuhe, wie ein Badeschwamm, meine Brillen beschlagen und keine Hand frei, um mir klare Sicht zu verschaffen, da ich mit der einen Hand meine Fotoausrüstung fest umklammert halte und mit der anderen darauf achte, dass die Pelerine bei dem nun aufkommenden Wind nicht davonfliegt.

Irgendwo dahinten im dampfenden Grün sitzt der Totenkopfaffe zusammengekauert unter den Blättern eines Baumes. Ich gehe der Brandung entgegen. Lockere meinen Griff. Und stelle fest, wie sehr ich ihn doch liebe, diesen warmen, dichten, lebenspendenden Regen.