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Vizekanzler Gorbach

Foto:AP/Zak
Mit Vizekanzler Hubert Gorbach sprachen Günther Strobl und Luise Ungerboeck

Standard: Die Bahnreform stockt. Was läuft schief?

Gorbach: Wer geglaubt hat, dass die größte Eisenbahnreform der zweiten Republik ohne Nebengeräusche abgeht, verweigert sich der Realität. Wenn man so viel verändert, neu gestaltet, sogar in Rechte aus dem vorigen Jahrhundert eingreift, ist es logisch, dass es rund geht.

Standard: Der Umbau der ÖBB in eine Holding mit elf Töchtern zieht sich, die Manager rennen um ihr Leiberl, weil sie nicht wissen, ob sie morgen noch einen Job haben. Ist das klug?

Gorbach: Die Besetzung will gut überlegt sein, der Umbau der ÖBB, mit 47.000 Mitarbeitern das größte Unternehmen Österreichs, ist kein Pappenstil. Da spreche ich lieber mit zehn Leuten zu viel als mit einem zu wenig.

Standard: Man hat den Eindruck, das Bahnmanagement scheut Entscheidungen - aus Angst, anzuecken.

Gorbach: Wenn jemand sagt, ich kann jetzt nicht entscheiden, dann ist das der erste Ansatz zur Disqualifikation. Die Positionen sind besetzt, alle haben Entscheidungsbefugnis für das operative Geschäft. Wenn ich auch nur von einem Kunden, etwa im Güterverkehr, höre, er bekommt keine Entscheidung weil umstrukturiert wird, dann raucht´s.

Standard: Genießt ÖBB-General Rüdiger vorm Walde noch ihr Vertrauen? Er hat weder ein Konzept vorgelegt, wie es mit den ÖBB in 15, 20 Jahren weitergehen soll, noch spezielle Führungskompetenz gezeigt.

Gorbach: Die das behaupten, schauen das Ganze entweder oberflächlich von außen an oder stellen das Eigeninteresse vor das Gesamtinteresse. Generaldirektor vorm Walde hat einen Vertrag und ich erwarte, dass er diesen erfüllt. Ich habe gerade in Zeiten der Umstrukturierung in ihm einen guten Partner gefunden, der sich zwar gewehrt, aber auch gespürt hat, die Reform ist im Rollen, da muss ich mit.

Standard: Was wird mit den 4000 bis 6000 ÖBB-Bauarbeitern, deretwegen sogar gestreikt wurde? Kündigungen sind nicht möglich. Vielleicht Frühpensionierungen?

Gorbach: Ich brauch’ keine Frühpensionisten, sondern arbeitende, motivierte Eisenbahner.

Standard: Die ÖBB-Bau-AG will sie nicht, die Betrieb-AG braucht sie nicht. Und der Vorstand soll die ÖBB auf Kernaufgaben reduzieren. Wie sollen die Leute beschäftigt werden?

Gorbach: Da werden die neubestellten Organe Vorschläge erarbeiten. Insourcing, also Arbeit hereinholen, ist immer erlaubt; ebenso Kooperationen mit der Industrie bei den Investitionen. Wir wollen ja auch mehr Umsatz machen.

Standard: Das größte Problem ist die Finanzierung des Bahnausbaus. Egal wie man es rechnet, unterm Strich fehlen jährlich bis zu 400 Millionen Euro. Ein Rechenfehler?

Gorbach: Nein. Tatsache ist, dass wir mit 1,2 Milliarden Euro jährlich so viel bauen wie nie zuvor. Wir sind aber am Überarbeiten des Generalverkehrsplans, was Zeitplan und Höhe der Investitionen betrifft, nicht aber die Reihung. Und da, das gebe ich gerne zu, entdecke ich eklatante Differenzen zu dem, was uns die Länder seinerzeit als Projektkosten genannt haben. Wir werden also reden müssen, was früher und was später realisiert wird.

Standard: HL-AG und ÖBB wollen Koralmbahn- und Unterinntalausbau nach hinten verschieben. Im Unterinntal entstünden mit dem Brennerbasistunnel ohnehin Überkapazitäten. Auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser verweigert die Zustimmung zur zweiten Etappe der Koralmbahn. Wo ist der Ausweg?

Gorbach: Das Unterinntal ist mit 1,8 Milliarden Euro Investitionssumme eine der wichtigen Zulaufstrecken für den Brennerbasistunnel und damit für den Nord-Süd-Transit und eine Entlastung für das Inntal. Deshalb glaube ich, dass auch ein paar Jahre Überkapazität argumentierbar sind, wo jetzt ein Engpass besteht. Im Unterinntal wird mit voller Kraft weitergebaut, ohne Abstriche. Mit dem Finanzministerium werden wir auf einen grünen Zweig kommen. (DER STANDARD Printausgabe 11.08.2004)