Sosehr man Schwulen und Lesben wünscht, dass sie sich nicht mehr verbergen müssen und in ihren Partnerschaften gesellschaftliche Gleichbehandlung erfahren - einen Nachteil hat diese Entwicklung zu mehr Liberalität doch: Jetzt vermarkten die Fellner-Medien deren Herz-Schmerz-Geschichten auch schon.

Wär 's nur Pamela Anderson! Jahrelang hat "tv-media" deren erwiesen bedeutungslose künstlerische Existenz ausgepresst bis zum letzten Silikontropfen, was aber kein Grund war, in einer Coverstory Mein Sex, mein Leben - ALLE Enthüllungen aus Pam Andersons Autobiographie das aufgespritzte Fleisch nicht aufs Neue ins Regal zu legen.

Pams scharfe Beichte bietet nichts, was den Konsumenten von "tv-media" nicht seit Jahren langweilt, und nach drei Seiten Schnurren ohne Tabus, deren Höhepunkt bei einer Orgie mit Unterhosenmodell erreicht ist, muss selbst das Magazin bekennen: Obwohl der rote Faden der idealen Strandlektüre für denkfaule Nachmittage immer wieder die kollidierenden Körper ohne und (später natürlich) mit Silikonunterstützung sind, haben sich Pam und ihr Coautor mächtig angestrengt und ein flüssiges Schundhefterl mit Star-Appeal zu Papier gebracht.

Der rote Faden der kollidierenden Körper würde auch eine Portion Anstrengung der "tv-media"-Schreiber durchaus rechtfertigen, wenn sie ihr zähflüssiges Schundhefterl zu Papier bringen. Sie muss ja nicht mächtig sein.

Aber was ist das alles gegen die Enthüllung der Beziehungsmeteorologen von "NEWS", die ohne Rücksicht auf Einwände der Betroffenen einen Gerüchtesturm losbrechen lassen. Wo ist Stoffi? fordert das Magazin gebieterisch Einblick in Privatsphären, denn: In der Szene wird über Trennung geredet, und da kann "NEWS" nicht schweigen. Der Entertainer ist fast nur noch ohne seinen Partner zu sehen. Ist das Paar nun getrennt?

Das geht zwar niemanden etwas an, und Alfons Haider wehrt sich gegen Trennungsgerüchte. Hilft ihm aber gar nichts. Diese Facette der Gleichstellung homosexueller Paare muss wohl noch erkämpft werden: dass es nicht nur selbstverständlich ist, miteinander gesehen zu werden - sondern auch ohne einander. Dass die Heldensagen der mutigen Outisten nicht immer ein glückliches Ende haben müssen, sondern dass Trennung auch hier zum Alltag gehören kann. Schließlich will "NEWS" auch mit dieser Facette der Gleichstellung homosexueller Paare seine Geschäfte machen.

Diese Verbindung . . . fand in der Öffentlichkeit statt, aber nicht für sie. Nie stand sie im Verdacht, Reklamezwecken zu dienen. Na, da kann doch ein Fellner-Magazin gar nicht anders, als sie Reklamezwecken dienstbar zu machen. Reklamezwecken werden schließlich noch viel höhere Werte unterworfen, wie etwa die heilige Orthographie der alten Art. Lange hat der große Stilist der deutschen Gebrauchsliteratur an sich gehalten, aber seit die Österreicher in einer Umfrage ihre vorhersehbare Meinung dazu äußerten, konnte er nicht mehr anders. Er musste der Kultur eine Bresche und dem Kanzler ein Schnippchen schlagen und bastelte den Aufmacher Mehrheit der Österreicher fordert: Schluß mit neuer Rechtschreibung. Das ß ließ er rot drucken.

Und um zu beweisen, dass er auch wirklich nicht vergessen hat, wie man "Schluss" früher einmal geschrieben hat, rüstete er auf Seite 3 in Haustyrannenart unter dem Titel Schluß damit! zum Kampf für seine Zwecke: Endlich soll die "Krone" wieder einmal an der Spitze des Volkes das Panier der Freiheit schwingen und der Regierung zeigen, wer das Sagen und Rechtschreiben hat.

Was "Der Spiegel" und "FAZ" tun, interessiert ihn vielleicht weniger, aber wie muss er gelitten haben, als die deutsche "Bild" zur Rebellion gegen die neue Rechtschreibung aufrief und noch keine Umfrage über die Haltung der Ösis vorlag, die ihm sagte, auf welcher Seite mehr zu holen war. Doch vorgestern war es so weit. Immer mehr bei uns und überall dort, wo deutsch gesprochen wird, sieht man, daß diese Reform offenbar in überflüssiger bürokratischer Regelungswut entstanden ist. Nicht nur bei uns: Es kam in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen zu Massendemonstrationen. Allerdings gegen andere Reformen, aber was soll 's?

Und dann holte er weit mit dem Zaunpfahl aus. Auch die meisten Politiker bei uns haben mittlerweile bemerkt, wie sie einmal mehr an der Bevölkerung vorbeiregiert haben; ein guter Grund, auf sie zu hören. Vielleicht hat ihre Einsichtsfähigkeit endlich doch etwas zugenommen. Bis auf einen Fall, mit dem man rechnen mußte. Tja, der skandalöse Fall hat schon einmal nicht pariert. Sehr schlimm: Bundeskanzler Schüssel steht zu dieser Reform.

Statt sich endlich Schüßel zu schreiben! Auch eine vernünftige Reform ist nicht frei von kleinen Fehlern. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2004)