Miresmaeili als Fahnenträger des Irans.

Athen - Der iranische Weltmeister Arash Miresmaeili hat mit seiner Disqualifikation für den ersten Skandal im olympischen Judo-Turnier gesorgt. Nach seinem angedrohten Wettkampf-Boykott wurde der Topfavorit im Halbleichtgewicht wegen Übergewichts vom Wettbewerb ausgeschlossen. Beim Wiegen am Sonntagmorgen hätte der WM-Champion von 2001 und 2003 maximal 66 Kilogramm auf die Waage bringen dürfen.

Vaks wollte unbedingt kämpfen

Miresmaeili hatte zwei Tage zuvor angekündigt, aus Protest gegen die israelische Haltung im Nahostkonflikt die Wettkämpfe zu boykottieren. Der beste iranische Judoka, der am Freitag bei der olympischen Eröffnungsfeier die iranische Flagge ins Stadion getragen hatte, wollte zu seinem Erstrunden-Duell nicht gegen den Israeli Ehud Vaks antreten. "Ich hatte gehofft, dass er seine Meinung ändern würde, und ich gegen ihn kämpfen kann. Auch wenn ich kaum eine Chance gehabt hätte", sagte Vaks. "So in die nächste Runde zu kommen, ist unbefriedigend. Politik hat auf einer Judo-Matte nichts zu suchen."

Lob von Khatami

"Der Name von Arash Miresmaeili wird in die iranische Geschichte eingehen als ein Quelle des Stolzes für das Land", lobte dagegen Irans Staatspräsident Mohammad Khatami das unsportliche Verhalten des 23-Jährigen. Der iranische Verbandspräsident Mohammad Derakhshanmombarakeh hatte noch am Samstag bestätigt, dass Miresmaeili starten werde, wie auch der Sprecher des Judo-Weltverbandes, Michel Brousse, berichtete. Doch wenig später erklärte Miresmaeili erneut: "Ich werde vermeiden, gegen den Israeli anzutreten, weil ich mit den unterdrückten Menschen in Palästina sympathisiere."

Goldprämie für Miresmaeili

Gholam-Ali Haddad-Adel, konservativer Sprecher des iranischen Parlaments, gratulierte dem Verweigerer für seine "tapfere Entscheidung". Vize-Sportchef Ali Kafashian schlug vor, Miresmaeili mit einem speziellen Preis zu ehren. Und der iranische Delegationsverantwortliche Nassrollah Sajadi forderte sogar, man solle dem Judoka die Goldprämie von umgerechnet 94.000 Euro dafür bezahlen, dass er sich weigerte, gegen Vaks zu kämpfen. Bahram Afsharzadeh, Sekretär des Nationalen Olympischen Komitees, sagte hingegen, dass Miresmaeilis Verweigerung für Frustration im Olympia-Team gesorgt hat.

Übergewicht als Alibi

Eine Sprecherin des iranischen Nationalen Olympischen Komitees (NOK) hat in Teheran bestätigt, dass Miresmaeili gewissermaßen gezwungen wurde, auf ein Antreten gegen den Israeli Ehud Vaks bei den 28. Sommerspielen in Athen zu verzichten: "Es gibt eine generelle Anweisung unserer Regierung, dass von Wettkämpfen gegen Athleten des zionistischen Regimes Abstand zu nehmen ist, und Arash Miresmaeili hat sich an diese Anweisung gehalten." Auf die Frage, ob der Athlet diese Entscheidung selbst treffen durfte, mantwortete die NOK-Sprecherin: "Nein!"

Keine Premiere

Miresmaeili, der vor vier Jahren in Sydney den fünften Platz belegt hatte, sollte die erste olympische Judo-Medaille für sein Land erkämpfen. Der Iran ist mit sieben Männern im olympischen Turnier vertreten. Vor Miresmaeili war Leichtgewichtler Hamed Malekmohammadi bei der WM 2001 in München bereits disqualifiziert worden, weil er nicht gegen den Israeli Yoel Razvozov hatte kämpfen wollen.

Konsequenzen möglich

Konsequenzen durch den Internationalen Judoverband (IJF) sind zu erwarten, denn so hieß es am Samstag: "Wir sind sehr überrascht, dass so ein Elitekämpfer nicht geschafft hat, die Gewichtsgrenze einzuhalten", erklärte Brousse. "Sollten politische Gründe für diese Gewichtsüberschreitung verantwortlich sein, wird die IJF darauf reagieren."

Unverständnis bei Israelis

Das israelische Team verstand die ganze Aufregung nicht. "Wir sind nach Athen gekommen, um an sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen, und nicht, um Politik zu machen", betonte Israels Teamsprecher Yaron Michaeli. "Die Nationalität von Israels sportlichen Konkurrenten ist unwichtig. Wir nehmen es mit jedem auf!"(APA/dpa/Reuters)