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APA/Schlager
Es beginnt meist ganz harmlos. Ein kleiner Scherz über den altmodischen Pullover, die Wurstsemmel, die im Vorbeigehen am Boden landet, ein Gerücht, das sich allzu schnell verbreitet. Doch aus einer kleinen Hänselei kann sich schnell eine Spirale der Gewalt entwickeln, die dem Mobber ein Gefühl der Macht vermittelt, Machtempfinden auf Kosten der Schwächeren. Der Übergang von "normalem" Schülerverhalten zum Psychoterror ist fließend. Nicht die alltäglichen Konflikte, sondern gezielte Verleumdungen, Demütigungen bis hin zu Drohungen und Gewaltanwendungen sind Mobbing. Das Phänomen tritt nicht nur in der Erwachsenenwelt auf, betroffen sind auch Kinder und Jugendliche. Und je näher der Schulanfang kommt, desto präsenter wird die alte Angst der Opfer vor der willkürlichen Aggression durch andere.

Zunehmendes Problembewusstsein

"Mobbing" (engl. = sich stürzen auf) wurde erstmals 1968 von Konrad Lorenz verwendet. Er bezeichnete damit das Angriffsverhalten einer Gruppe gegen ein einzelnes Wesen. Der Soziologe Peter-Paul Heinemann übernahm 1974 den Begriff aus dem Tierreich und verwendete ihn für das Phänomen, dass Gruppen eine sich von der Norm abweichend verhaltende Person attackieren. Seither hat das althergebrachte Phänomen des systematischen "Schikanierens" einen Namen und das Problembewusstsein in der Gesellschaft ist gestiegen. "Mobbing" an Schulen wurde zum Thema und ist es bis heute ein allzu gegenwärtiges Problem.

Organisierte Hilfe

Laut einer deutschen Studie der Uni Koblenz-Landau verunglücken jährlich 370.000 Schüler. 26 Prozent der Fälle seien auf Gewalttätigkeiten von Mitschülern zurück zu führen. Noch häufiger seien jedoch seelische Verletzungen, die zu psychozialen Störungen, Leistungsabfall und Schulverweigerung führen. Über 20 Prozent der SchülerInnen an deutschen Pflichtschulen begreifen sich als Mobbing-Opfer. Für Österreich liegen derartige Studien nicht vor. Das Problem existiert trotzdem. Mobbing-Opfer - ob in der Schulen oder in der Arbeitswelt - sind oft sozial oder emotional schwächere Persönlichkeiten, die Konflikten aus dem Weg gehen. Sie lassen jahrelang Terrorisierungen über sich ergehen, bevor sie um Hilfe bitten. Und ob sie auf ihren Hilferuf auch tatsächlich Unterstützung erwarten können, hängt allzu oft vom Zufall an.

"Das Ministerium hätte zwar die Möglichkeit, ein großflächiges Netz zum Konfliktmanagement aufzubauen, bisher ist mir jedoch nichts derartiges bekannt", so die Vorsitzende der Aktion kritischer SchülerInnen (AKS), Kim Kadlec. Zwar gibt es an Schulen ein Netz von VertrauenslehrerInnen, an die sich SchülerInnen mit ihren Problemen wenden könnten, die Hemmschwelle, sich einer schulinternen Authoritätsperson anzuvertrauen, ist jedoch erfahrungsgemäß hoch. Ähnliches gilt für schulanssässige Psychologen und auch Eltern stehen der Situation oft hilflos gegenüber. Ob eine Schule kompetente Anlaufstellen für Mobbing-Opfer bietet, hängt auch stark vom Eigenengagement der jeweiligen DirektorInnen und LehrerInnen ab.

Peer-Mediation

So besteht für Schulen die Möglichkeit, sich Mediationsteams einzukaufen, die SchülerInnen zu Peer-MediatorInnen ausbilden. Diese Konfliktmanager aus den eigenen Reihen sollen Konflikte erkennen und die Streitparteien bei der Lösung unterstützen. Für nachhaltige Erfolge muss jedoch viel Zeit in Ausbildung und Etablierung der Projekte investiert werden. Eine vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst in Auftrag gegebene Studie zur Praxis der Peer-Mediationen an Schulen weiß von 34 von 654 Schulen in Österreich, die bisher Peer-Mediation anbieten (Stand 2002). Das allerdings mit großem Erfolg. Die Konfliktlösungs-Methode, die in den USA bei mehr als einem Drittel der Schulen zum Standardrepertoire gehört, steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen. "Eine flächendeckende Finanzierung dieser Projekte ist derzeit noch nicht möglich", so Doris Kölbl vom Bundesministerium. "Über geeignetere Modelle wird in einer großen Tagung im Dezember beraten werden."

Ausgeliefert der "Realität des Lebens"

Bis zu einem flächendeckenden Programm zur Gewaltprävention werden vermutlich noch viele SchülerInnen Opfer von systematischen "Hänseleien", vorhandene Hilfestellung wird weiter vom Engagement der LehrerInnenschaft abhängig sein, oder von der Qualität des sozialen Netzes einer betroffenden Person. Oft bleibt nur der Schulwechsel. Und wie auf der Seite einer deutschen Plattform für Mobbing-Opfer gepostet wurde: bis die Unterstützung für Gewalt- und Mobbingopfer tatsächlich Struktur bekommt, muss ein großer Prozentsatz der betroffenden SchülerInnen eben "durch die Schule des Mobbings gehen", denn "wenn du das durchhälst, dann bestehst du auch vor der harten Realität des Lebens". Die Sichtweise eines ehemaligen Mobbing-Opfers? (mhe)