Alle paar Jahre das gleiche Bild: Die Ölpreise klettern auf neue Rekordwerte, Wirtschaftspolitiker sorgen sich um die Konjunktur, Autofahrerklubs fordern Benzinpreissenkungen. Hektischem, wochen-, höchstens monatelangem Aktivismus folgen Jahre der Untätigkeit, wenn der Ölpreis wieder sinkt. Sollte uns nicht langsam etwas Besseres einfallen?

Konferenzen

Rückblende: Angeregt durch hohe Ölpreise Anfang der 1990er-Jahre und durch große internationale Nachhaltigkeitskonferenzen wie jene in Rio de Janeiro fand vor etwa zehn Jahren eine intensive öffentliche, politische und wissenschaftliche Debatte über Chancen und Grenzen einer sozial-ökologischen Steuerreform statt. Die Steuerlast sollte vom Faktor Arbeit auf den ökologisch problematischen Verbrauch von Ressourcen, vor allem fossiler Energieträger, umverteilt werden.

Am Ende dieser Debatte herrschte in der Wissenschaft weit gehender Konsens, dass eine solche Strategie jedenfalls Energieverbrauch, Abhängigkeit von Energieimporten, CO-Emissionen und Arbeitslosigkeit senken könnte. Viele Wirtschaftsforscher glaubten zudem, dass derartige Steuerreformen das Wirtschaftswachstum steigern oder zumindest nicht beeinträchtigen würden; selbst Skeptiker befürchteten höchstens eine geringfügige Verringerung der Wachstumsraten.

Politisches Versäumnis

Voraussetzung dafür waren unter anderem eine gleitende, langfristig planbare Einführung der Ressourcensteuern und eine kluge Strategie zur Rückverteilung der Steuereinnahmen bzw. zur Ausgestaltung der kompensatorischen Steuersenkungen. Politisch passierte praktisch nichts. Es gab geringfügige Erhöhungen der Energiesteuern, aber von einer umfassenden sozial-ökologischen Steuerreform konnte nicht die Rede sein, weder in Österreich noch in der EU. Ergebnis: Der Energieverbrauch wächst ungebremst, von der in Kioto zugesagten CO-Reduktion keine Spur.

Zurück zum Öl: Eine erste Ahnung davon, was es bedeutet, von einer erschöpfbaren Ressource abhängig geworden zu sein, die zu einem guten Teil in politisch instabilen Weltregionen vorkommt, erhielten die Industrienationen während der ersten beiden so genannten Ölschocks 1973 und 1980/81. Das damalige Rezept: Aufbau von Lagerbeständen, Förderung von Kohle und Kernkraft und Ausbau der Non-Opec-Ölförderung, unter anderem des Nordseeöls.

Wachsende Nachfrage

Doch mittlerweile zieht der Anteil von Opec-Öl an. Das Wachstum der Ölnachfrage in Asien, vor allem in China, ist enorm. Bei weitem der größte Teil der Erdölreserven liegt in den Opec-Staaten, alle Prognosen sehen daher eine massive Zunahme des Anteils von Opec-Öl am internationalen Rohölmarkt voraus.

Ölpreissprünge werden häufiger, auch wenn sie – kaufkraftbereinigt – noch nicht mit jenen der frühen 1980er-Jahre vergleichbar sind. Zudem gibt es eine neue Debatte über die Reichweite der Ölvorräte. Interessant ist nicht so sehr, wie lange die Ölvorräte insgesamt noch reichen – mehrere Jahrzehnte –, sondern wann der globale Maximalwert der Ölförderung erreicht werden wird. Völlige wissenschaftliche Klarheit darüber gibt es nicht, aber Skeptiker warnen, dies könne bereits in zehn bis zwanzig Jahren der Fall sein.

Der Effekt wäre jedenfalls unvergleichlich weit reichender als jener der bisherigen Ölpreiskrisen. Die Industrieländer haben daher die Wahl: Sehen sie ihrer steigenden Abhängigkeit von Fossilenergie tatenlos zu, so wird die Opec die Öl- und damit Energiepreise in naher Zukunft fast nach Belieben steuern können. Die Machbarkeit militärischer Lösungen für dieses Problem – ganz abgesehen von den damit verbundenen humanitären Katastrophen – kann man derzeit im Irak besichtigen.

Oder sie versuchen, ihre Abhängigkeit von Fossilenergie durch eine aktive Energiepolitik, sozial-ökologische Steuerreform inklusive, zu vermindern. Die Rezepte liegen seit 15 Jahren auf dem Tisch. Nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung könnte man glauben, die beiden Optionen seien im Wesentlichen ohnehin gleich, weil die Energiepreise in beiden Fällen steigen würden.

Nachhaltige Wirkung

Erstens bleibt bei einer sozial-ökologischen Steuerreform das Geld im Land, im anderen Fall fließt es zu den Erdöl exportierenden Staaten. Bei der Rückverteilung der Steuereinnahmen kann zweitens auf sozialen Ausgleich geachtet werden, bei einer extern gesteuerten Preissteigerung ist das unmöglich. Drittens geht es um die Frage, wer die Entwicklung steuern kann: Industrieländer und Erdöl exportierende Staaten oder nur Letztere.

Viertens würde eine absehbare, mittel- bis langfristige Steigerung der Preise von Fossilenergie enorme Innovationsimpulse auslösen, die durch die Forschungspolitik noch unterstützt werden könnten und die Wettbewerbsfähigkeit einer Region in Zeiten steigender Energiepreise enorm erhöhen kann. Fünftens wäre eine derartige Strategie ein wichtiger Beitrag zur Vorsorge von Klimarisiken und damit ein konkreter Beitrag zur Nachhaltigkeit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.8.2004)