Schon im Jahr 2002 beschwerte sich eine Leserin bei ZARA über einen Artikel desselben Redakteurs des Bezirksblattes: Damals, am 4. September, wurden die "Zigeuner" mit "einfallenden Heuschrecken" verglichen und ebenfalls eine angeblich "extreme Müll- und Geruchsentwicklung" bemängelt.
Wortewandel
Schon die Verwendung des Begriffes "Zigeuner" sei zu kritisieren: "Zigeuner", erklärt Verena Krausneker von ZARA, "ist ein Überbegriff für Roma, Sinti, Lowara und andere. Das Wort hat sich jedoch – so wie viele andere Bezeichnungen für Gruppen – in seiner Bedeutung langsam gewandelt. Und zwar zum Negativen."
Wobei nach einer solchen Bedeutungswandlung Personenbezeichnungen einfach nicht mehr wertfrei zu verwenden seien: "Das Wort 'Weib' empfinden wir ja auch nicht als neutral. Genauso ist das mit 'Zigeuner' und 'Neger'. Sie sind negativ besetzt, weil sie von mörderischen Gruppen und Regimes, nämlich Nazis, Sklavenbesitzern und anderen Rassisten, verwendet wurden." Wörter könne man nicht außerhalb des historischen Kontexts verwenden, "wir können nicht ignorieren, dass sie eigentlich Beschimpfungen sind", betont die Sprachwissenschafterin.
"Nicht bös gemeint"
Oft werde als Rechtfertigung angeführt, dass man den Begriff nicht böse meint, meint Krausneker. Doch im Zweifel müsse man eben nachfragen: "Wenn man sich dafür interessiert, wie es beim Anderen ankommt, und respektvoll genug ist, die Wünsche des Gegenübers ernst zu nehmen, dann erleichtert das die Wortwahl sehr."
Beim Wort "Neger" ist die Sache klar: Bei einer Umfrage des Wiener Afrikanisten Erwin Ebermann unter der schwarzen Community in Wien gaben 99 Prozent der Befragten an, "Neger" sei für sie diskriminierend; 70 Prozent fanden den Begriff verletzend.
Wer was wann zu wem wie sagt
Schwierig werde es dort, wo Gruppenmitglieder sich selbst oder andere mit diesen Wörtern betiteln. Zum Beispiel kommt "Nigga" in Rap-Texten häufig vor. Doch: "Es macht eben einen großen Unterschied, wer was in welchem Zusammenhang zu wem wie sagt – das ist das Schöne aber auch das Schwierige an Sprache!", meint Krausneker. Es macht einen Unterschied, ob ein Österreicher jemanden einen "Tschuschen" schimpft oder sich eine Musikgruppe "Tschuschenkapelle" nennt.
Kritik an Medien
Generell werde Rassismus häufig über Sprache transportiert: Menschen werden bedroht, beleidigt, beschimpft, ausgegrenzt. Auch von Medien. Denn diese würden oft schlampig mit Sprache umgehen, kritisiert Hikmet Kayahan von ZARA: "Wenn Migranten und Migrantinnen immer nur als Probleme vorkommen, wenn über AusländerInnen immer nur konfliktgeladene Situationen berichtet wird, dann wird damit ein bestimmtes Abbild der Realität vermittelt, das einfach nicht den Tatsachen entspricht."
So würden - meist unbedacht, aber manchmal auch absichtlich - Rassismen transportiert und Vorurteile bestätigt. Das Problem: Um sich in ihrer Meinung bestätigt zu fühlen, reicht RassistInnen ein einziges negatives Beispiel, um verallgemeinert als Vorurteil auf die ganze Gruppe übertragen zu werden.
Zahlreiche Beschwerden
Sich um sensible Sprache zu bemühen sollte auch im Interesse der Medien selbst liegen. Denn, so Kayahan: "Sehr viele Menschen sind sensibel und achten darauf, was und wie in Medien berichtet wird. Offensichtlicher Rassismus stört viele, aber auch der zwischen den Zeilen fällt auf." Das zeigen die Beschwerden über Medien und Sprachgebrauch in österreichischen Medien, die regelmäßig bei der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen eingehen.
Kayahans Team bietet dann jeweils an, Beschwerden inklusiver detaillierter Erklärungen zu verfassen und fordert das rassistisch agierende Medium zu einer Stellungnahme auf. Wie im Rassismus Report 2003 dokumentiert ist, reagieren viele Redaktionen und JournalistInnen auf die Briefe von ZARA. Manche aber auch nicht - wie der NÖ Anzeiger im Bezirk Hollabrunn. ZARA überlegt daher, eine Beschwerde vor dem Presserat einzureichen.
Keine Auskunft, daher Zigeuner