Vor genau einem Jahr gingen in New York die Lichter aus. 50 Millionen Menschen saßen 16 Stunden im Dunkeln. Entstaatlichung und Deregulierung seien Schuld: Marode Straßen, schlechte Telefonverbindungen, kaum öffentliche Verkehrsmittel und eine unzuverlässige Müllentsorgung plagen die US-Bürger. Mehr Wettbewerb sollte zu größerer Effizienz, niedrigeren Preisen, Angebotsvielfalt und höherem Servicegrad führen - ein Trugschluss also?

Laut einer aktuellen EU-Studie hat auch bei uns die Liberalisierung ihre Ziele oft nicht erreicht. Vor allem beim Strom. So sind in Schweden die Preise für Elektrizität um 18,7 Prozent geklettert, und die österreichische Industrie zahlt mit 4,5 Cent pro Kilowattstunde die zweithöchsten Preise in Europa, mehr noch als im regulierten Frankreich. Gleichzeitig steigerte der Verbund die Stromerlöse um 22 Prozent, EVN und RWE den Gewinn um zwölf und E.ON um 13 Prozent. Andererseits: Die Europäer haben heute 30 Prozent weniger auf ihrer Telefonrechnung stehen als vor sechs Jahren und österreichische Unternehmen sogar 44 Prozent weniger. Musterbeispiel Telefon, Reinfall Strom: Wie gelingt die Liberalisierung?

Starke Regulierungsbehörden nötig

Wettbewerb muss gelernt werden. Ehemalige Monopolmärkte brauchen starke Regulierungsbehörden, damit eine wettbewerbsbeschränkende Konsolidierung vermieden wird. Sonst läuft es nach dem Schema: Neue Wettbewerber drücken das Preisniveau, alte Player kaufen die junge Konkurrenz auf oder fusionieren und erhöhen schließlich wieder die Preise.

Die Folgen - katastrophal: Sollten die Energiekosten um weitere zehn Prozent steigen, denken 35 Prozent der österreichischen Unternehmen an einen sofortigen Investitionstopp, und 23 Prozent würden ihre derzeitige Fertigung sogar teilweise ins Ausland verlagern.

Markteintrittsbarrieren müssen gesenkt werden. Vorbild Deutschland: Mit der Novellierung der Handwerksordnung wurde der Meisterzwang von früher 94 auf nur noch 41 Gewerbe reduziert. Neuen Anbietern den Marktzugang zu erleichtern und ihnen keine bürokratischen Steine in den Weg zu legen - das ist die Devise und hat in der Telekommunikation schon hervorragend geklappt: Gab es 1998 in der EU erst 526 Festnetzanbieter, waren es 2003 schon 1484 - mit entsprechend positiven Folgen für die Preise und die Qualität. Auch beim Flugverkehr: 40 Prozent mehr angebotene Sitzplätze, zahlreiche neue Anbieter - vor allem im Low-Cost-Bereich - und eine Zufriedenheitsquote von 87 Prozent.

Der Kundennutzen muss im Vordergrund stehen. In Österreich haben 46 Prozent der Firmen den Telekomanbieter, aber nur zwei Prozent der Haushalte und 16 Prozent der Unternehmen den Stromversorger gewechselt - zu gering ist der wahrgenommene Vorteil. Mehr Wettbewerb durch Deregulierung macht dort Sinn, wo durch eine neue Konsolidierungslogik Unternehmen effizienter oder serviceorientierter werden. So hat sich die Deutsche Post durch die Übernahme von DHL in einen internationalen Logistikdienstleister verwandelt. Und EU-weit ist die Zustellung schneller geworden - 2,2 Tage statt früher 2,6 -, und nur noch achtzehn Prozent der EU-Bürger sind mit den Leistungen der Post unzufrieden.

Staat spielt oft entscheidende Rolle

Entstaatlichung und Liberalisierung sind nicht immer die Lösung: Wo Infrastruktur zum länderspezifischen Wettbewerbsfaktor gehört, spielt der Staat eine entscheidende Rolle. Im Infrastrukturbetrieb können hingegen Private mit Kreativität und Effizienz punkten. Die privatisierten Autobahnen in Italien sind das beste Beispiel dafür: größere gastronomische Vielfalt, effizientere Instandhaltung und ein funktionierendes Tollsystem.

"Die Freiheit ist kein Geschenk, von dem man billig leben kann, sondern Chance und Verantwortung", mahnt Richard von Weizsäcker: Es ist nicht damit getan, Märkte freizugeben und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen, es heißt auch, permanent für Wettbewerb zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen.