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MoveOn-Ad in der "NY Times"

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"Outfoxed - Rupert Murdochs War on Journalism" von Robert Greenwald

"Outfoxed - Rupert Murdochs War on Journalism" von Robert Greenwald beleuchtet Desinformationsstrategien des amerikanischen Fernsehens und die Bush-freundliche Haltung von Fox News.

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Die Mitarbeiter des amerikanischen Nachrichtenkanals Fox News bekommen für ihre Berichterstattung täglich genaue Instruktionen auf den Schreibtisch. Als die Untersuchungskommission zu den Terroranschlägen am 11. September 2001 neben hochrangigen Mitarbeitern der Administration Clinton auch das Team von George W. Bush ins Visier nahm, zirkulierte bei Fox News ein Memo, das in dem Satz gipfelte: "Machen Sie kein Watergate daraus!" Das eigentlich nur für den internen Gebrauch bestimmte Papier spielt eine wichtige Rolle in einem neuen Dokumentarfilm, der Fox News zum Anlass einer gründlichen Kritik der Desinformationsstrategien im US-Fernsehen nimmt: "Outfoxed - Rupert Murdochs War on Journalism" von Robert Greenwald ist eine der überraschenden Geschichten dieses Sommers.

Graswurzelstrategien

Überraschend ist nicht so sehr, wie der 58jährige engagierte Filmemacher hier die "Politik" des mit aller Gewalt aufstrebenden Senders analysiert. Mehr noch überraschen die Graswurzelstrategien, mit denen "Outfoxed" unter die Leute gebracht wurde und sich binnen kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Dokumentarfilme entwickelte - bevor er noch im Kino gestartet war. "Gestern abend gingen wir zu Jo", schreibt zum Beispiel Sarah im Juli in einem Web-Tagebuch namens Roman Candles. "Wir wollten uns den Dokumentarfilm 'Outfoxed: Rupert Murdoch's War on Journalism' bei einer der vielen Hausparties von MoveOn.org ansehen. Ich mochte den Film. Er zeigt nicht unbedingt viel Neues, aber für die von uns, die Fox News nicht mehr ertragen können, zeigt er wieder einmal auf, was die so vorhaben. Wenn ich etwas an dem Film auszusetzen habe, dann den Wortspendenjournalismus. Viele Interviews waren zu Ende, bevor man wirklich in die Details gehen konnte. Aber insgesamt war der Film okay."

Neue Informationsordnung

Das Statement gibt einen Einblick in eine Auseinandersetzung, die in den amerikanischen Medien nun nicht mehr nur über Inhalte, sondern buchstäblich um eine neue Informationsordnung geführt wird. In der Frage der Inhalte sind die Fronten relativ klar. Fox News ist von den landesweit gesehenen Sendern derjenige, der einen stark patriotischen, der gegenwärtigen Regierung dezidiert freundlichen, antiliberalen Kurs steuert. Greenwald dokumentiert dies in Outfoxed auf vielfache Weise: Die Ausschnitte aus dem tatsächlichen Fox-Programm sind sein stärkstes Argument, dazu kommen entlarvende Aussagen ehemaliger Mitarbeiter von Fox News ("former Foxies"), und Stellungnahmen prominenter Medienkritiker. Bill O'Reilly, einer der Stars des Senders, wird in Greenwalds Montage zu einem autoritären Interviewer, der seine Gesprächspartner nicht ausreden lässt. Als er den Sohn eines der Opfer der 9/11-Anschläge zu Gast hat, der ihm widerspricht, verliert O'Reilly die Fassung. In vielen Ausschnitten wird die manipulative Berichterstattung von Fox News überdeutlich.

Kritische Haltung gegen "corporate media"

Mitarbeiter von Greenwald haben ein halbes Jahr lang das gesamte Programm von Fox News mitgeschnitten und mit Stichworten versehen. Dann wurde es nach Themen geordnet, geschnitten und mit Interview-Passagen ergänzt. Wie in Michael Moores "Fahrenheit 9/11" spricht ein großer Teil des Materials für sich selbst, und Greenwald endet auch in einer ähnlichen Tonlage: Sein Plädoyer für eine kritische Haltung wendet sich allerdings gegen "corporate media", also gegen die großen Medienkonzerne. Deren von Einschaltquoten bestimmten Informationen hält Greenwald eine Medienwelt entgegen, die von unten entsteht, die sich im Netz austauscht, bei den Hausparties von MoveOn.org eine soziale Dimension gewinnt, und nicht allein die Abwahl von George W. Bush zum Ziel hat, sondern eine radikale Veränderung der Konsumkultur. "Outfoxed" wird auch vorwiegend über die Webseiten alternativer Medien vertrieben. Die DVD hat sich mittlerweile über 100 000 mal verkauft, die landesweite Premiere am 18. Juli bei synchronisierten Hausparties war ein Ereignis wie ein Kinostart - der nun auch erfolgt ist: ein Verleiher hat das kommerzielle Potenzial erkannt und hat den Film regulär herausgebracht. Dabei besteht immer noch die Gefahr einer Klage von Fox News, denn Greenwalds Gebrauch von Ausschnitten geht weit über "fair use" hinaus - der Film würde ohne dieses Material substanzlos werden.

Basisarbeit

Während Outfoxed zu einem Phänomen mit ähnlichen Dimensionen wie "Fahrenheit 9/11" wird, arbeitet Greenwald bereits an seinem nächsten Film "Unconstitutional", der die Einschränkungen der Bürgerrechte in Zeiten des Patriot Acts zum Thema hat. Es soll der dritte Teil einer Trilogie werden, die sich mit der Politik unter Bush befasst. Die Vorsilbe "un-" ist dabei das verbindende Element: In Unprecedented rollte Greenwald die Wahl 2000 noch einmal auf. Zwei Filmemacher wendeten sich mit Aufnahmen an Greenwald, die sie während der Neuauszählungen in Florida ("Florida recount") gedreht hatten. Dass die Republikaner die Wahl "gestohlen" haben, ist auch in Unprecedented keine Frage. Es ist gerade die Präsidentschaft von George W. Bush, die den vielen Medieninitiativen ein Ziel gibt: Seine Abwahl wäre der erste konkrete Erfolg einer Basisarbeit, die sich ansonsten erst eine gemeinsame Agenda suchen müsste. Der Protest gegen den Krieg im Irak stellt einen Teilaspekt dar.

Auch Unterstützung des Establishments

Auch hier griff Greenwald filmisch ein: "Uncovered. The Whole Truth About the Iraq War" brachte Interviews mit Waffeninspektoren und hochrangigen Mitarbeitern der US-Außenpolitik und wurde als DVD im vergangenen November veröffentlicht, zu einem Zeitpunkt, als sich die Lage im Irak zunehmend als kompliziert erwies. Der Film wurde in knapp fünf Monaten fertig gestellt, ein Fertigungstempo, das an Wochenschauen erinnert.

Für "Outfoxed" konnte Greenwald bereits auf die Unterstützung auch des Establishments rechnen: Eric Clapton stellte einen Song gratis zur Verfügung, und der Rockstar Don Henley stimmte der Verwendung von Dirty Laundry zu. Die juristische Vertretung übernahm mit Lawrence Lessig ein Star der Stanford University. Ihm obliegt es, die hohe Kunst der Richtigstellung maßvoll zu verwenden. Bisher kommen aus den Reihen der Fox-Mitarbeiter nur verärgerte Zwischenrufe: Carl Thomas beschwert sich, dass "Outfoxed" "die vielen Demokraten, die ich in meiner Show hatte", ignoriert. Generell weist Greenwald nach, dass in manchen Fox-Sendungen die Republikaner bis zu 80 Prozent der Gäste ausmachen. Die anderen Sender geraten durch die Propaganda eines Mitbewerbers unter Druck. Das Machtwort gegen den Mogul selbst, gegen Rupert Murdoch, spricht mit Walter Cronkite eine Autorität des US-Fernsehens: Er warnt vor einer Medienordnung, in der kommerzielle und ideologische Interessen die Berichterstattung zu einem bloßen Instrument werden lassen.

Frage einer künftigen Medienhegemonie

Wie die Wahl im November auch ausgeht: Die Bush-Gegner sind wesentlich differenzierter informiert als seine Befürworter. Das muss jedoch kein Vorteil sein. Vielleicht reicht eine Zahl, um die Verhältnisse zurechtzurücken: Die Abendnachrichten bei Fox News sehen 1,4 Millionen Menschen, während MoveOn.org 2,2 Millionen eingetragene Nutzer hat. Dahinter beginnt erst das weite Land, in dem sich die Frage einer künftigen Medienhegemonie entscheidet. (DER STANDARD; Album, Printausgabe, 21./22.8.2004)