Wien - Die SPÖ will laut Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos nach dem geplatzten Verkauf der Telekom-Austria an die Swisscom einen Untersuchungsausschuss und eine Ministeranklage gegen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V) beantragen. Angesichts der offenen Kritik aus der FPÖ am Finanzminister fordert SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos die freiheitlichen Abgeordneten auf, diesen Anträgen im Nationalrat zuzustimmen. Darabos: "Wenn die FPÖ politischen Anstand besitzt, dann wird sie dieser Forderung der SPÖ ihre Stimme geben."

Gusenbauer will Parlaments-Sondersitzung

SPÖ-Bundesparteiobmann Alfred Gusenbauer hat heute in einer Aussendung weiters angekündigt, zum Thema Telekom-Verkauf eine Sondersitzung des Nationalrates einzuberufen. Der Antrag dazu werde noch heute erfolgen. "Die Gründe, warum der Deal zwischen der ÖIAG und der Swisscom über den Verkauf der Telekom Austria geplatzt sind, liegen nach wie vor im Dunklen", so der SPÖ-Chef in einer Aussendung. Es sei zu klären, warum dieser Deal letztendlich gescheitert ist - "ob aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen". Das sei der Öffentlichkeit bis zum heutigen Tag nicht bekannt.

Weiters forderte Gusenbauer neuerlich den Rücktritt von Finanzminister Grasser. Da dieser jedoch "nicht zu erwarten" sei, werde die SPÖ in der Sondersitzung, die voraussichtlich kommende Woche stattfinden wird, einen Misstrauensantrag gegen Grasser stellen. Damit wolle die SPÖ "Bundeskanzler Schüssel helfen", denn man erwarte sich von Schüssel, "dass er Grasser aus der Bundesregierung abberuft".

"Dilettantische Wirtschaftspolitik"

Darabos wirft dem Finanzminister vor, sich "aus der Verantwortung stehlen" zu wollen und alle Schuld am geplatzten Deal der ÖIAG zuzuschieben. Aus dem Privatisierungsauftrag gehe jedoch hervor, dass die ÖIAG sämtliche Schritte mit dem Finanzminister abzustimmen habe. Dies werde auch in einem Brief Grassers an Nationalratspräsident Andreas Khol (V) vom April 2003 bestätigt. Grasser sei also entweder voll informiert gewesen und sage nun die Unwahrheit, oder die ÖIAG habe ihn nicht informiert und damit "fahrlässig" gehandelt.

Grasser und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) hätten jedenfalls eine "dilettantische Wirtschaftspolitik" zu verantworten, meint Darabos. Das gelte auch für bereits in der Vergangenheit erfolgte Privatisierungsschritte - von Böhler-Uddeholm, über Austria Tabak bis zur voestapline. Darabos: "Man versucht, um Budgetkonsolidierung zu betreiben, Gewinn bringende österreichische Unternehmen zu verkaufen, schaut nach drei Jahren durch die Finger und die neuen Eigentümer reiben sich die Hände."

Trotz der Einnahmen aus den Privatisierungen bringe Grasser keinen ausgeglichenen Haushalt zu Stande, sondern steuere bei den laufenden Budgetverhandlungen auf ein Defizit von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu, kritisiert Darabos. Das Platzen des Telekom-Verkaufs sieht der SP-Geschäftsführer mit gemischten Gefühlen: "Wir freuen uns, dass der Deal geplatzt ist, wir freuen uns aber nicht, dass die Aktie und das Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen wurden."

SPÖ für Privatisierungsstopp

Die SPÖ tritt nun für einen "Privatisierungsstopp" in zentralen Branchen wie Telekom und Stahlindustrie ein. Dies seien Bereiche, in denen der Staat "auch dirigistisch etwas zu sagen haben sollte", meint Darabos. Die SPÖ wird ihr Wirtschaftskonzept Mitte September in einer "Kickoff-Veranstaltung" vorstellen und am Parteitag im November beschließen. Die Kernpunkte sind bereits bekannt: Die Steuern auf Kapitaleinkommen sollen erhöht, die Lohnnebenkosten gesenkt und das Sozialsystem neben Beitragsleistungen stärker über Steuern finanziert werden.

Lopatka: SPÖ "wirtschaftlich inkompetent"

ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka hat die Aussagen von Darabos als "kläglichen Versuch, von der wirtschaftspolitischen Inkompetenz der eigenen Partei abzulenken", bezeichnet. "Wer das Debakel der Verstaatlichten in den 80er und 90er Jahren zu verantworten hat und somit im Glashaus sitzt, sollte lieber nicht mit Steinen um sich werfen", meinte Lopatka in einer Pressemitteilung.

Molterer: "Vollstes Vertrauen" zu Grasser

ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer meinte zur von Gusenbauer beantragten Sondersitzung zum Thema Telekom Austria: "Wenn die SPÖ eine Diskussion über die Verstaatlichtenpolitik der letzten Jahrzehnte haben will, werden wir das gerne tun." Gleichzeitig werde man der Öffentlichkeit aufzeigen, dass es die schwarz-blaue Regierung gewesen sei, der die Entschuldung der ÖIAG gelungen sei und die dafür gesorgt habe, dass die ÖIAG besser denn je dastehe, sagte Molterer im Gespräch mit der APA.

Der ÖVP-Klubchef betone zudem, "Finanzminister Karl-Heinz Grasser genießt unser volles Vertrauen". Daher würden Abgeordnete der ÖVP weder bei einem Misstrauensantrag noch bei dem von der SPÖ angekündigten Antrag auf Ministeranklage mitstimmen. Beide Instrumente blieben daher "selbstverständlich ohne reale Chance". "Ein Finanzminister, der nicht alle Optionen auslotet, mit dem hätte ich ein Problem. Ein Finanzminister, der alle Optionen auslotet, das ist okay."

Der SPÖ-Kritik, wonach durch das Platzen des Deals zwischen Telekom Austria und Swisscom durch den Wertverlust der Aktion insgesamt ein Riesen-Verlust eingefahren worden sei, hielt Molterer entgegen, "und was war vorher mit dem Zuwachs auf den Aktienmärkten?" Aus seiner Sicht hätten jedenfalls auch die ÖIAG-Organe "verantwortungsvoll gehandelt", in dem sie zu einem Zeitpunkt, wo erkennbar gewesen sei, dass die Schweizer nicht alle Bedingungen erfüllen könnten, die Verhandlungen beendet hätten. "Das ist okay", so Molterer.

Grüne unterstützen Forderung nach U-Ausschuss

Die Grünen unterstützen die Forderung der SPÖ nach einem Untersuchungsausschuss. Im Mittelpunkt solle dabei aber weniger Finanzminister Grasser, sondern vielmehr Bundeskanzler Schüssel stehen, meinte die stv. Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, am Montag bei einer Pressekonferenz.

Es sei zu klären, inwiefern Schüssel Bescheid gewusst habe, wie sehr er die Verhandlungen mitgetragen oder "mitgedeckt" habe, meinte Glawischnig. Für realistisch hält sie den U-Ausschuss angesichts der dafür nötigen Mehrheit im Parlament aber nicht. Sie rechne nicht unbedingt mit einem "Anfall von Selbstkritik" bei den Regierungsparteien. Glawischnig erneuerte in diesem Zusammenhang die Forderung der Grünen, die Einsetzung von U-Ausschüssen zu einem Minderheitenrecht im Parlament zu machen. Im Österreich-Konvent, in dem eine neue Verfassung ausgearbeitet werden soll, seien derzeit drei Parteien für dieses Minderheitenrecht. Sie sei gespannt, was dann am Ende herauskomme. (APA/red)