Die "Unkürrekt"-Mannschaft untersucht, "wie der Österreicher reagiert, wenn ein Ausländer ihn verarscht".

Foto: ATVplus

Wie belastbar ist die Toleranz? Wie viel Grobheit erlaubt man dem Fremden? Wie respektlos dürfen Ausländer Österreicher oder andere Ausländer auf den Arm nehmen?

Die Fernsehserie "Unkürrekt" zeigte mit Spaß und Frechheit Ausländer, die mit versteckter Kamera bei Österreichern wie auch bei Ausländern diese Nagelprobe machten. Ein halbes Jahr lang stellten sie respektlose Fragen. Das Ergebnis waren 35 Folgen einer Ethno-Comedy, gesendet jeweils Freitag um 23 Uhr auf ATVplus, die bei ihren Fans rasch Kultstatus errang.

Zwei Darsteller, der kurdische Türke Ötschi Özaydin Akbaba und Helmut La, der Sohn vietnamesischer Boatpeople, sowie Alexander Kleinszig, der gemeinsam mit Leo Bauer Regie geführt hat, erzählten, wie das ging.

Helmut La: Wir wollten wissen, was passiert, wenn ein Österreicher und ein Ausländer das Gleiche machen. Wir waren oft selbst überrascht.
Ötschi Özaydin Akbaba: Wir wollten einfach sehen, was die Österreicher denken, wenn ein Ausländer kommt und dich verarscht. Verstehst du?

Gab's Aggressionen?
Akbaba: Es hat Sketches gegeben, bei denen wir ein bissl übertrieben haben. Da haben sich die Österreicher schon geärgert. Manchmal haben wir auch unsere eigenen Landsleute verarscht. Aber zu neunzig Prozent waren es Österreicher, die wir auf die Probe gestellt haben.
Einmal bin ich mit dem Mamadou, also dem Schwarzen, in einen Park gerannt, er mit seiner Arbeitsgenehmigung und ich hinterher. Ich nehm' seine Arbeitsgenehmigung und schrei: "Du Scheißneger! Knie dich nieder!" Und der sagt: "Bitte, bitte, gib mir meine Papiere wieder." Und so weiter. Wir wollten sehen, was die Leute machen. Regt sich da jemand auf und sagt: "He, was führst du da auf?" Von fünfzig Leuten ist nur eine Dame gekommen und hat gesagt: "Gib dem Armen seine Papiere wieder."

Was hat euch gereizt, das zu machen?
Akbaba: Es war einfach an der Zeit, dass sich Ausländer auch in anderen Bereichen beweisen können. Ich bin der einzige türkische Schauspieler in Österreich, und ich war froh, andere ausländische Mitspieler zu finden. Wir haben den Jugendlichen hier die Augen aufgemacht.
La: Wir haben die Chance bekommen, uns zu zeigen. Ich war auf einer Schauspielschule in New York und habe vor "Unkürrekt" schon viele Castings gemacht, wo ich überall abgelehnt wurde. Ich bin gerade von Wien weggezogen, habe mir gesagt, ich lass' das jetzt sein und fange ein Jus-Studium an. Da kam das Team und hat gesagt, wir machen etwas, wo du perfekt hineinpasst. Das war vorher nicht denkbar. Keiner hat sich drübergetraut.
Akbaba: Das war ein Durchbruch.
La: Das Witzige ist ja auch, dass Alexander Kleinszig, unser Produzent, wie Sie sehen, kein Türke und kein Vietnamese ist. Alexander Kleinszig: Integration hin oder her, ich glaube, es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen.
Akbaba: Was die Integration betrifft, das hat sehr viel geholfen.
Kleinszig: Glaubst du?
Akbaba: Auf jeden Fall. Ich komme aus einer armen Familie. Die Eltern haben keine Zeit für uns gehabt. Ich musste für mein Taschengeld selber sorgen, und meine Eltern haben nicht die Augen aufmachen können. Es gibt auf der Straße so viele Jugendliche, die nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen – obwohl das schon die dritte Generation (von Zuwanderern, Anm. d. Red.) ist. Aber jetzt haben sie gesehen: Bah, junge Ausländer haben Selbstvertrauen. Und jetzt fangen sie einfach an, weiterzudenken.
La: Als wir das angefangen haben, haben wir uns nie eingebildet, wir machen das, um ein Vorbild zu sein. Das hat sich irgendwie so entwickelt. In erster Linie hat es jeder getan, um eine Chance für sich zu nutzen.
Akbaba: Ich wollte schon ein Vorbild sein. Ich habe schon vor sieben Jahren mit dem Schauspielen begonnen. Ich habe meine ganze Familie zum Film gebracht, meine Freunde, Jugoslawen, Österreicher, Türken. Und die haben mir auch gesagt: "Du, Junge, wir sind so stolz darauf, dass du das machst." Und dann habe ich diese Verantwortung auch übernommen.

Gibt es da auch Grenzen? Gibt es Themen, bei denen man sagt: "Das geht nicht"?
La: Es gibt so unantastbare Themen wie Abtreibung, die wir nie ansprechen würden. Oder sexuelle Neigungen zu verschmähen, also dass Schwule besser oder schlechter sind. Oder dass man jemanden auf der Straße nicht gleich angreift, sondern dass man erst an jemanden herantritt und sagt: "'tschuldigung, könnt's mir helfen?" und dann wieder einen Schritt zurücktritt.
Akbaba: Wir haben immer aufgepasst, dass wir ja nicht übertreiben. Ich hab' im 10. Bezirk einmal gesagt, dass ich Bundespräsident werden möchte. Da sind auch so Skinheads um mich herum gewesen, die geschrien haben: "Du Scheißtschusch, geh wieder ham!", und so weiter. Da hab' ich natürlich nicht drauf reagiert.
La: Natürlich auch "Safety first", also damit das im Rahmen bleibt. Akbaba: Bei den Türken ist es sehr arg rübergekommen, wenn es um Sex gegangen ist. Bei Sexszenen wird der Fernseher gleich abgeschaltet. Und da gibt es jetzt eine Sendung, in der Ausländer spielen, und die jungen Leute, auch die Mädels, wollen unbedingt diese Sendung sehen. Und die spielt in der Nacht, am Freitag um 23 Uhr, und in der Nacht sitzt ein jeder zu Hause. Es ist eine heikle Geschichte. Es sind einige Leute gekommen, auch Mädchen, die haben mir gesagt: "Wir schau'n uns so gern diese Sendung an. Aber wenn manchmal dieses Mädchen auftritt, über Sex, da dreht unser Vater immer den Fernseher ab."

Das Thema Islam kommt bei "Unkürrekt" nicht direkt vor. Ist das jenseits der Grenze dessen, was das Publikum tolerieren kann?
Kleinszig: Wir waren vor kurzem bei einem islamischen Kulturinstitut und haben gedacht, es wäre doch schön, diese Religionsfrage einmal ins Spiel zu bringen. Also haben wir einen der Darsteller mit versteckter Kamera alleine hineingeschickt mit dem Auftrag, drinnen zu sagen, er sei gläubiger Muslim, seit langer Zeit schon in Österreich. Es gefalle ihm hier wahnsinnig gut. Seine Arbeit sei auch irrsinnig toll, die liebe er heiß. Sein Arbeitgeber sei eigentlich auch irrsinnig nett. Nur sei der jetzt draufgekommen, dass er Muslim ist.

Die Frage war jetzt, ob er es, ohne Probleme mit Allah zu kriegen, schaffen kann, zum Christentum zu konvertieren. Weil das will der österreichische Boss.

Wie ist das ausgegangen?
Kleinszig: Der Mann in dem islamischen Zentrum hat gesagt: "Um Gottes willen, das kannst du nicht machen. Da musst du kündigen. Da kann ich dir aber auch nicht helfen. Allah wird dir das nicht wirklich verzeihen." Aber das Ganze war überhaupt kein Eklat.

Gab's dann die Einwilligung, das zu senden?
Kleinszig: Der Mann hat gesagt "lustig" und "schön" und "viel Spaß", aber "bitte nicht senden".

Also das war eine Grenze.
Kleinszig: Ja. Wir machen Fernsehen und haben einen Sendeplatz zu füllen. Wir können jetzt nicht sagen, wir haben den Stein der Weisen für die Verständigung gefunden.
La: Uns gelingt das manchmal auch unbewusst. Es gelingt nicht, weil wir Leute aufklären wollen. Es ist für den FreitagaAbend. Wir wollen die Leute eine halbe Stunde lang unterhalten. (DER STANDARD; Printausgabe, Album, 28./29.8.2004)