Zeit
Historiker: Entschlossenheit der Alliierten hätte Hitler gestoppt
Münchner Abkommen habe Hitler so weit bestärkt, dass er "Weltherrschaftswahn" entwickelt habe
Karlsruhe - Ein entschlossenes Handeln der westlichen
Alliierten 1938 hätte nach Ansicht des Historikers Peter Steinbach
Adolf Hitler und seine Kriegspläne gestoppt. "Wenn London und Paris
bei der Aufteilung der Tschechoslowakei hart geblieben wären, hätte
die Geschichte einen gänzlich anderen Verlauf genommen", sagte der
Professor an der Karlsruher Universität. "Hätte man nicht die
Appeasement-Politik verfolgt, sondern energisch klar gemacht, dass
ein Krieg das Ende des deutschen Nationalstaates bedeuten könne,
hätte Hitler kaum seine aggressive Politik so zügellos fortgesetzt."
Das Münchner Abkommen habe ihn aber so weit bestärkt, dass er
plötzlich einen "Weltherrschaftswahn" entwickelt habe.
Hitler-Stalin-Pakt
Steinbach verweist zugleich darauf, dass ohne den
Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 der Krieg ebenso wenig möglich
gewesen wäre. "Die Vereinbarung mit der Sowjetunion hat Hitler
kolossal entlastet und den Weg freigemacht für den Kampf im Westen."
Schon 1939 habe der Diktator konkrete Angriffspläne auf Frankreich
ausarbeiten lassen, "das Abkommen von Moskau war dann die
diplomatische, politische und militärische Rückendeckung", sagte
Steinbach, der Leiter der Berliner Gedenkstätte "Topographie des
Terrors" ist. "Die Aufteilung Polens unter Russen und Deutschen war
eine politische, aber auch eine gesellschaftliche Katastrophe. Die
Völker in Ost- und Mitteleuropa zahlen bis heute den Preis für die
Kumpanei der beiden Diktatoren."
"Politische Neurose"
Der Historiker machte jedoch klar, "dass es wenige Kriege gibt,
bei denen die Schuldfrage so eindeutig ist". Hitler habe seit Jahren
auf einen Krieg hingearbeitet, um im Osten "Lebensraum" zu gewinnen
und nach Westen die "Schmach von Versailles", des umstrittenen
Friedensvertrags von 1919, zu tilgen. "Das war eine politische
Neurose, die ihn gefangen hielt. Seine Erfahrungen aus dem Ersten
Weltkrieg und sein Rassenwahn haben diesen Mann beherrscht." Nachdem
der Krieg spätestens von 1942 an nicht mehr zu gewinnen gewesen sei,
habe Hitler den Holocaust zum "Ersatzkriegsziel" erklärt. "Nicht
umsonst hat er den Befehl zur Ermordung geistig behinderter Kinder
auf den 1. September 1939 zurückdatieren lassen. Das war ein Wahn,
der letztlich auch dazu führte, dass er nicht 1944 kapitulierte,
sondern kämpfte, bis alles in Schutt und Asche lag", sagte der
Historiker. (APA/dpa)