Handys, die mehr können als telefonieren und SMS verschicken, sind ja längst keine Sensation mehr: Viele haben eine Kalenderfunktion, einige können fotografieren und Bilder verschicken, die meisten sind mit Spielen ausgestattet, und einen Radio haben auch einige eingebaut. Alles Anwendungen, die aus dem Mobiltelefon eine Art Schweizer Messer des 21. Jahrhunderts machen. Allerdings ist auch keine Anwendung darunter, die, wie es im Marketingdeutsch heißt, "einen echten Mehrwert schafft" und den Mobilfunkkunden überzeugen könnte, ein neues Gerät mit eben dieser Funktion unbedingt anschaffen zu müssen.

Viele Netzbetreiber dachten schon vor einigen Jahren, dass Location Based Services (LBS) diesen "Mehrwert" schaffen würden: Handybesitzer können damit ortsbezogene Informationen abfragen - zum Beispiel, wo die nächste Apotheke oder das nächste Pizzarestaurant liegt. Das Serviceangebot macht sich dabei die Tatsache zunutze, dass ein eingeschaltetes Handy in Verbindung mit einer Basisstation steht und innerhalb der Funkzelle ortbar ist - wenn auch mit starken Abweichungen. Allzu große Begeisterung riefen derartige Dienste bis heute allerdings nicht hervor. Die Technologie Assisted GPS (A-GPS) ist zwar wesentlich genauer (s. Wissen), die wirklich große Nachfrage nach LBS konnten Netzbetreiber aber auch damit nicht feststellen.

Und so wird fleißig nach immer neuen Anwendung für ortsgebundene Informationen gesucht. Forschung und Entwicklung steht ganz im Dienste der Mobilfunker, die das ultimative Angebot suchen, um den Kunden bei Laune zu halten. Ein Trend ist hier absehbar, der relativ wenig mit der anfangs so hochgelobten Suche nach bestimmten nächstgelegenen Orten, Geschäften oder Lokalen zu tun hat: Handys werden nicht nur zur Ortungshilfe, sondern auch zur Allzweckfernbedienung. Wichtig sei dabei, so Roland Triendl von der Wiener Entwicklerschmiede 3 United Mobile Solutions AG (ehemals Sysis), die unter anderem mit dem Research Studio Smart Agents an verschiedenen Entwicklungen für Handys arbeitet, "dass es keine bequeme kostenlose Alternative gibt, denn dann würde LBS wirklich niemand nützen." Ein Beispiel: "Licht abdrehen über das Handy. Das wäre einfach sinnlos. Wer zu Hause ist benützt eine derartige Anwendung nie."

Viel sinnvoller wäre eine Art Zugangskontrolle über das Mobiltelefon, sagt Triendl. Auch ein ortsbezogener Dienst: Das Handy, mit dem schon jetzt Mobile Ticketing möglich ist, könnte dann beim Einlass zu einem Konzert als das eines "zugangsberechtigten" Zuschauers automatisch erkannt werden.

Infos aufs Telefon

Triendl selbst leitete eine Projektgruppe bei 3 United, die für den Netzbetreiber One das so genannte Located Communication Network entwickelte: Der Handybesitzer entscheidet zum Beispiel beim Betreten einer Ausstellung, ob er vor jedem Exponat Zusatzinformationen über sein Endgerät erhalten will. Er benötigt dazu allerdings eine Software, die per Tastendruck installierbar ist und von Access Points in den Ausstellungsräumen erkannt wird. Je nachdem, wo der Besucher mit seinem Gerät gerade steht, wird er informiert - und kann mit den Access Points auch interagieren. Triendl: "So entsteht wirklicher Mehrwert, die bloße Information über das Ausstellungsobjekt reicht bei weitem nicht."

Mit dieser Lösung, so der Entwickler, könnte man auch Informationen in Einkaufszentren abrufen und sich als Kunde besser in der Welt des Konsums zurechtfinden. Die Diskussion, inwieweit der Handybesitzer dadurch zum gläsernen, von Werbeaussendungen bombardierten Kunden wird, läuft unter Datenschützern. Technisch wird daran gearbeitet, einer drohenden Informationsflut einen Riegel vorzuschieben: Die Technische Universität Berlin bastelte bereits ein Benutzerprofil, wodurch der User genau festlegen kann, welche Infos er erhalten will und welche nicht.

Sinnvolle Kontrolle

Einen ganz anderen Mehrwert erhoffen sich Mobilfunker durch Location Based Services im Zusammenhang mit der Kontrolle gesundheitlich gefährdeter Patienten. Philips zum Beispiel entwickelte einen Gürtel, der den Herzschlag seines Trägers überwacht. In ihm ist eine Bluetooth-Schnittstelle (siehe Wissen) versteckt, die das Handy ansteuern und darüber Nachrichten an die Rettung schicken kann.

Im Zusammenhang mit Mobiltelefonen vorbeigehender Passanten, mit denen der nächste Defibrillator (Defi) im Umfeld rasch gefunden werden kann, sollte LBS die Häufigkeit des Herztods auf der Straße deutlich reduzieren - lautet die Überlegung. Ob die Anwendung tatsächlich Erfolg hat, wird an ihrer Benutzbarkeit für den Normalverbraucher liegen. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 8. 2004)