US-Wahlkampf, Öffentlichkeit und Protestkultur: Anti-Bush-Demonstranten klagen über mangelnde Medienpräsenz und fordern weniger Bush- und mehr Protestberichte. Michael C. Copps, demokratischer (!) Repräsentant der US-Medienbehörde FCC, hat andere Sorgen.

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Auch wenn ich – als Vertreter der Demokraten in der FCC – mit vielen Rednern des Konvents sicher nicht übereinstimme, bin ich trotzdem der Meinung, dass uns die elektronischen Medien mehr von einem Ereignis berichten müssten, das sicher zu den wichtigsten dieses Wahlkampfs gehört. Am vergangenen Sonntag z. B. war bundesweit in den kommerziellen TV-Kanälen fast kein einziger Livebericht vom Konvent zu sehen. Das ist inakzeptabel. Schließlich gehören die Frequenzen den amerikanischen Bürgern und nicht den TV-Machern. Die TV-Gesellschaften erhalten von uns die Erlaubnis, die Frequenzen gratis zu benutzen – und verpflichten sich im Gegenzug, im öffentlichen Interesse zu berichten. Das ist der Deal.

Durch die Benutzung dieser öffentlichen Ressource machen die TV-Gesellschaften jede Menge Profit. In diesem Wahlkampf lukrieren die TV-Stationen ca. 1,5 Milliarden Dollar Einnahmen aus Wahlwerbung. Und was kriegen wir von den TV-Stationen im Tausch gegen die Gratisnutzung der Frequenzen? – Wenn man sich anschaut, wie oft Themen von nationalem Interesse behandelt werden, muss man leider sagen: immer weniger. Schon im Jahr 2000 ist die Whlberichterstattung im Vergleich zu 1996 um fast ein Drittel gesunken. Während der letzten Wahlen war von den Kandidaten in den News durchschnittlich neun Sekunden pro Abend die Rede.

Und auf lokaler Ebene? Forget it! Die letzten Regionalwahlen im Jahr 2002 sind in über der Hälfte der lokalen News-Sender überhaupt nicht vorgekommen. Die Lokalberichterstattung ist dermaßen zusammengeschrumpft, dass die Sendezeit für Wahlwerbespots gegenüber redaktionellen Beiträge mittlerweile das Vierfache beträgt.

Die TV-Manager erklären uns, dass die Konvent- und Wahlkampfberichte der Kabelstationen völlig ausreichend seien. Das halte ich für einen Irrtum: Über 35 Millionen Amerikaner haben keinen Kabelanschluss – und können aus technischen Gründen auch nie einen kriegen. Um nur die Relationen aufzuzeigen: Das ist mehr als die Bevölkerung von Ohio, Michigan, Wisconsin und Minnesota zusammengenommen. Zudem haben die Broadcaster den gesetzlichen Auftrag, dem öffentlichen Interesse zu dienen, als Lizenznehmer steht es ihnen daher nicht zu, den Ball einfach an die Kabelbetreiber weiterzuspielen.

Lahme Kontrollore

Auch sollte man sich vielleicht daran erinnern, dass die überwältigende Mehrheit der Kabelbetreiber bundesweit ausstrahlen. Lokale Wahlkampfberichte wird man daher nie via Kabel sehen können – sieht man von einigen wenigen Städten ab, die über ein eigenes Netz verfügen. Die meisten Amerikaner sind daher auf lokale Wahlberichte im Fernsehnetz angewiesen.

Leider unternimmt die (republikanisch dominierte, Anm.) FCC kaum etwas, um diese Situation in den Griff zu kriegen. Im Gegenteil: In den letzten Jahren wurden fast alle Auflagen für die TV-Sender in Sachen Public Interest aufgeweicht. Zudem wurden im vergangenen Jahr die Schutzbestimmungen gegen die Medienkonzentration gelockert – und damit alle Warnungen, dass damit die Wahlkampfberichte bald gänzlich vom Schirm verschwinden würden, in den Wind geschlagen. Glücklicherweise hat ein Gericht diese FCC-Entscheidung abgewiesen, sodass wir noch eine Chance haben, die geltenden Bestimmungen zu erhalten. Dass die bestehenden TV-Lizenzen de facto ungeprüft wie am Fließband verlängert werden, komplettiert das Bild.

Wir alle stimmen wohl – ungeachtet unserer parteipolitischen Präferenzen –, darin überein, dass Demokratie von gut informierten Bürgern abhängt. Wenn Sie also heute wieder einmal auf der Suche nach Konventsberichten vergeblich durch die Kanäle zappen, denken sie darüber nach, wie sehr sich die Öffentlichkeit auf die Vertragstreue der TV-Macher verlassen kann. (aus der "NY Times", 30. 8.) (DER STANDARD, Printausgabe, 1.9.2004)