Peter Warta

Die derzeitige Bundesregierung sei legal, aber nicht legitim, sagt Isolde Charim (STANDARD, 19. 2.). Khol schäumt. Charim kontert (26. 2.). Erledigt? Hoffentlich nicht. Denn man muss nicht Khol, man kann auch sehr gegen ihn sein, um einiges an Isolde Charims Auffassung fragwürdig zu finden.

"Legal" und "legitim" bedeuten vielleicht nicht genau dasselbe, aber doch etwas sehr Ähnliches. Man kann es mit "rechtmäßig" und "rechtlich erlaubt", "vom Recht getragen" umschreiben. Beide Begriffe haben jedenfalls eines gemeinsam: Der Maßstab, nach dem zu beurteilen ist, ob sie zutreffen oder nicht, ist die "lex", von der sie sich herleiten, das positive Recht. Davon beziehen sie auch ihre rechtliche Anmutung. Man verbindet "legitim" ohne viel nachzudenken mit "rechtlich o.k.".

Daran will sich der politische Sprachgebrauch freilich nicht halten. Zu verlockend ist ihm die Versuchung, politische Werthaltungen mit dem Flair normativer Gültigkeit zu verbrämen und so der Relativierung zu entziehen. Je weniger solche politischen Werthaltungen durch Skepsis angekränkelt, je tiefer die Überzeugungen sind, die sie tragen, desto weniger will man wahrhaben, dass man mit einem Etikettenschwindel operiert, wenn man von "legitim" außerhalb des Rechtes spricht. Recht, Moral und politische Werte sind nicht nur Maßstäbe für gesellschaftliches Verhalten und gesellschaftliche Institutionen, sondern selbst solche Institutionen. Sie ergänzen einander, stehen aber zueinander nicht selten in Widerspruch und messen also auch die "Konkurrenz" an den eigenen Maximen: Eine bestimmte Politik kann unmoralisch sein, ein Gesetz politisch abzulehnen, eine bestimmte Vorstellung von Moral illegitim usw.

Deshalb gehört es im normativen Diskurs zur korrekten Rede, die jeweiligen Qualifikationsbegriffe "legal/legitim", "moralisch" und "politisch erwünscht" genau auseinander zu halten. Andernfalls wird "legitim" zum beliebigen Rechtfertigungs- und "illegitim" zum beliebigen Verurteilungsvokabel, das jeder politischen Position, egal ob rechts oder links, zur Verfügung steht und seinen spezifischen Aussagewert verliert.

Positivismus der Verfassung?

Recht ist im Übrigen natürlich mehr als nur formalisiertes Verfahren. Schon die Behauptung, unsere Verfassung kenne "nur positive Verfahrensregeln", ist falsch. Hätte Isolde Charim hier Recht, wer weiß, ob wir am 19. Februar demonstrieren hätten können. Zum Glück standen wir unter dem Schutz des verfassungsgesetzlich garantierten Rechts auf Versammlungsfreiheit.

Und der Grundrechtskatalog ist beileibe nicht der einzige wertorientierte Gehalt des österreichischen Verfassungsrechtes.

Dass die Abgrenzung zu Faschismus und Rassismus keinen Eingang in unsere Verfassung gefunden hat und eine außerrechtliche Kategorie geblieben ist, mit der Konsequenz, dass sie eben keine Legitimationsbedingung darstellt, hat nichts mit dem Positivismus der Verfassung zu tun, wie Isolde Charim ihr vorwirft (und was Hans Kelsen nicht verdient hat), im Gegenteil: Gerade weil sie wertoffen konzipiert ist, hätte auch der antirassistische Cordon Sanitair, genauso wie etwa die Freiheit der Kunst, ohne weiteres Verfassungsrecht werden können. Da liegt schlicht ein politisches Versäumnis vor, was dem parteiübergreifenden Nachkriegskonsens, auf den sich Charim beruft, kein gutes Zeugnis ausstellt.

Das führt zum Problem des Defizits, das jede Rechtsordnung notwendigerweise zu jedem Zeitpunkt aufweist, weil sie dem politischen Wollen stets nur hinterherlaufen kann, besonders im Falle der Demokratie und ihres formalisierten Verfahrens der Rechtserzeugung, von dem Isolde Charim enttäuscht ist; ganz zu schweigen vom Risiko ungeliebter, ja desaströser Machtkonstellationen, das der Demokratie innewohnt.

Ob diesen Nachteilen begegnet werden kann, indem man den liberalen Dialog als Vorurteil denunziert, der Verfassung das Vertrauen und die Kompetenz, eine Regierung zu legitimieren, entzieht und die Legitimierung von Herrschaft an außerrechtliche, durch keine formalisierten Verfahren gezähmte gesellschaftliche Mechanismen (wozu der von Charim zitierte Max Weber z. B. "Charisma" zählt) delegiert, bezweifle ich. Aber ich bin Jurist und nicht Philosoph oder gar Max Weber.

Dr. Peter Warta ist Jurist in Wien und setzt sich publizistisch vor allem mit Fragen der Rechtstheorie auseinander.