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Münz: "Derzeitiges System des Asylrechts ein untaugliches Mittel für die Zukunft"

foto: apa/schlager
Alpbach - Ein Umdenken in der europäischen Einwanderungspolitik regen der Migrationsexperte Rainer Münz und Weltbank-Direktor Robert Holzmann an. Das derzeitige System des Asylrechts "ist ein untaugliches Mittel unsere Zukunft zu gestalten", sagte Münz im Gespräch mit der APA am Rande des Europäischen Forums Alpbach. "Das Asylrecht ist ein humanitäres Ausnahmerecht, das dazu da ist, um mit humanitären Krisen umzugehen."

Durch die demographische Entwicklung in Europa und die künftige Situation am Arbeitsmarkt werde es aber "mehr Migration geben". Die Frage, "geschieht das passiv, oder ist das etwas, was wir aktiv gestalten können?", beschäftigte Holzmann und Münz in ihrem Buch "Herausforderungen und Möglichkeiten der internationalen Migration für die EU", das diese Woche in Amsterdam präsentiert werden soll.

Ausbildungsstätten

"Wir wollen Asylverfahren nicht abschaffen", erläuterte Münz. "Die Frage ist aber, wie gestalten wir unsere Zuwanderung in bestem gemeinsamen Interesse von Herkunfts- und Zielländern?" So gebe es etwa die Strategie, in Ländern mit einer jungen wachsenden Bevölkerung Ausbildungsstätten zu schaffen. Ein Beispiel aus dem Pflegebereich, wo allein in Österreich in den nächsten zehn Jahren bis zu 30.000 zusätzliche Beschäftigte benötigt werden: "Auf den Philippinen werden wesentlich mehr Krankenschwestern ausgebildet als das philippinische Gesundheitssystem selber benötigt. Die Philippinen unterstützen das mit der Perspektive, dass diese Krankenschwestern dann woanders arbeiten, im Ausland zum Teil ein Vielfaches davon verdienen, als sie im Inland verdient hätten. Dies ermöglicht die höheren Ausbildungskosten zu refinanzieren, nicht zuletzt über die Rücküberweisungen dieser philippinischen Krankenschwestern in das jeweilige Land."

Entwicklung des Humankapitals

Das sei auch das Interesse der Weltbank dabei: "Migration kann helfen die Lage in den Entwicklungsländern zu verbessern", sagte Holzmann: "Weil weniger Leute um die Arbeit kämpfen, weil die Rücküberweisungen aus den Ländern von hoher Bedeutung sind. Und weil durch die Entwicklung von Humankapital in den Empfängerländern ein hohes Maß an Wissen transferiert wird."

Keine Gefahr, dass Arbeitsplatz weggenommen wird

Die Gefahr, dass die Migranten den Einwohnern die Arbeitsplätze wegnehmen, sehen die beiden Experten nicht. "Es gibt nicht zu wenig Arbeit, die Arbeit geht nicht aus", betonte Holzmann. Länder mit hoher Einwanderungsrate wie die USA zeigten, "dass es sehr wohl möglich ist, ein hohes Maß an Migration mit hoher wirtschaftlicher Dynamik zu verbinden. Auch ist es nicht so, dass Länder, die Migration verhindern, die geringsten Arbeitslosenraten haben." Migranten trügen außerdem durch "komplementäre Arbeit" zur Wirtschaftsdynamik bei. So ermögliche etwa ein philippinisches Kindermädchen, dass eine gebildete amerikanische Frau ihren Beruf ausüben kann.

In Zukunft gebe es "demographische Ungleichgewichte" zwischen dem Norden Europas und Ländern des Mittelmeers. Gleichzeitig stünden in Europa immer weniger Arbeitskräfte zu Verfügung. Holzmann: "Der Verlust an Arbeitskräftepotenzial in Europa bis 2050 liegt bei 50 oder mehr Millionen Leuten bei gegebener Migration." Und er ergänzte: "Jedes Mal, wenn es demographische Ungleichgewichte gibt, gibt es die Möglichkeit eines vorteilhaften Tausches, einer Arbitrage. Die Frage ist, was sind die Bedingungen, um die Arbitrage zu einer win-win-Situation für alle Beteiligten zu machen, die Senderländer, die Empfängerländer aber auch für die Migranten." (APA)