Brüssel/Washington - Am Dienstagabend wurde die Entscheidung der WTO offiziell bekannt gegeben: Eventuelle Sanktionen der EU sowie der Länder Brasilien, Kanada, Chile, Indien, Japan, Korea und Mexiko gegen US-Importe wegen des so genannten "Byrd Amendment", eines Anhanges zum US-Handelsgesetz, werden unterstützt.

Der Byrd-Anhang verpflichtet die US-Regierung, aus Anti-Dumping-Zöllen erlöste Gelder an US-Unternehmen zu verteilen, die ausländischen Firmen vorwerfen, ihre Produkte würden am US-Markt unter Preis angeboten werden und den US-Firmen somit einen wirtschaftlichen Schaden zufügen.

Die Europäische Union hat nach dem WTO-Entscheid noch keinen Sanktionsbeschluss gefällt. Ob und ab wann auf welche Produkte in welchem Ausmaß Strafzölle verhängt werden, sei noch offen. Die EU-Kommission werde in den nächsten Tagen mit den 25 Mitgliedstaaten beraten, sagte die Sprecherin von EU-Handelskommissar Pascal Lamy am Mittwoch in Brüssel vor Journalisten. Das nächste Treffen sei für Freitag geplant. In der Diskussion werde die EU auch den Termin der US-Präsidentschaftswahlen am 2. November berücksichtigen. Die Entscheidung über Sanktionen sei aber letztlich keine politische. Es gehe darum, das beste Vorgehen im Interesse der europäischen Wirtschaft zu finden und darum, dass die USA wettbewerbswidrige Gesetze wieder aufheben, so Lamys Sprecherin.

Zur Erklärung: Das Byrd-Amendment ist vier Jahre alt und wurde von der WTO schon mehrmals als nicht rechtskonform bezeichnet. Trotzdem weigerten sich die USA, den Anhang aus dem Gesetz zu streichen. Die US-Regierung erhebt bisher auf Antrag von US-Firmen, die ausländischen Konkurrenten Dumping in den USA vorwerfen, Strafzölle, wenn die Vorwürfe einer Prüfung standhalten. Die Strafzahlungen können dann direkt an die klagende US-Firma weitergeleitet werden. Diese Auszahlung an US-Unternehmen ist nach den WTO-Regeln illegal, nicht aber die Verhängung von Anti-Dumping-Zöllen an sich.

Die USA haben bisher argumentiert, ein direkter Schaden für ausländische Unternehmen aus diesem Verfahren sei nicht nachweisbar, der internationale Handel werde dadurch nicht beeinflusst. Die EU und die anderen betroffenen Staaten sahen dies naturgemäß anders, dadurch seien eventuelle Sanktionen gerechtfertigt.

US-Innenpolitik

Trotz allem hat Präsident George W. Bush in seiner Amtszeit mehrfach den Versuch unternommen, den umstrittenen Anhang zum Handelsgesetz zu streichen. Damit war er jedoch sowohl bei seiner eigenen Republikanischen Partei, als auch bei den Demokraten im Kongress auf heftigen Widerstand gestoßen. Diese werfen der WTO vor, sie überschreite mit dem Vorgehen gegen den Byrd-Handelszusatz ihre Kompetenzen. Dennoch kündigte der Sprecher des Büros des US-Handelsbeauftragten, Christopher Padilla, an, die Regierung werde mit dem Kongress zusammenarbeiten, um die Sanktionen zu vermeiden.

Die von der WTO genehmigten Strafzölle belaufen sich auf insgesamt rund 150 Mio. Euro im Jahr. In einem anderen Handelskonflikt, der sich um illegale Ausfuhrhilfen der USA dreht, erhebt die EU seit März Strafzölle gegen US-Waren. Diese Zölle können im laufenden Jahr einen Umfang von rund 315 Mio. Dollar erreichen. (DER STANDARD Printausgabe 02.09.2004)