Seitdem hat sich die Marke Comme des Garçons immer wieder als - vermutlich ungewollter - Provokateur im Modebusiness bewiesen. Die neueste Irritationsstrategie Rei Kawakubos nennt sich Guerilla-Store: mit minimalem Budget eingerichtete, kleine Shops in dichten urbanen Zonen, die nur mittels Flyern und Mundpropaganda beworben werden und nach einem Jahr wieder schließen. Der erste Guerilla-Store eröffnete im Februar in Berlin, der zweite im März in Barcelona. Die Stores stehen auch für multidisziplinäre kulturelle Events zur Verfügung, so gastierte im vergangenen Mai im Barcelona-Shop das österreichische Designerduo Wendy & Jim mit einer Modeperformance.
Auch eine Reihe von Düften gehört seit den 90er-Jahren zur Comme-des-Garçons-Welt, die meisten von ihnen werden sehr selektiv - etwa in ausgewählten Modegeschäften - vertrieben. Der jüngste Neuzugang nennt sich "Comme des Garçons 2 Man", ein Herrenduft, der perfekt in die exzentrische und hochästhetische Welt der Marke passt. Ein flacher, sanft gerundeter Flakon aus bernsteinfarbenem Glas, der nicht steht, sondern nur quasi auf dem Rücken liegen kann, reduzierte Beschriftung, industrielle Verpackung in weißem Plastiksack samt Überkarton. Zutaten sind Weihrauch, Safranblüten und Muskatnuss, dazu Kreuzkümmel, Vetiverwurzel, Mahagoniholz und Leder. Neben zwei Eau-de-Toilette-Sprays sind ein After Shave Gel, ein Shower Gel & Shampoo und ein Deostick erhältlich.
Kreiert hat diesen Duft Mark Buxton vom Parfumhaus Symrise in Paris (siehe unten stehendes Interview). Der gebürtige Engländer kennt die Comme-des-Garçons-Welt schon länger, bis auf wenige Ausnahmen hat er alle Düfte des japanischen Labels gemixt, zudem u.a. "Only" von Givenchy, mehrere Chopard-Düfte, die "Pasha"-Düfte für Cartier sowie "Très Jourdan" von Charles Jourdan. Buxton arbeitet seit 25 Jahren als Parfümeur, seine Laufbahn begann beim deutschen Parfumhaus Haarmen & Reimer in Holzminden. Und zwar auf sehr ungewöhnliche Weise. Als Student nahm er gemeinsam mit einem Freund bei "Wetten, dass?. . . " teil und behauptete, alle Parfums erschnuppern zu können. Die Wette verlor Buxton zwar, aber Haarmann & Reimer fanden die Geschichte interessant und boten ihm eine Ausbildung an ihrer Schule an. Der erfolgreiche Parfümeur trägt übrigens selbst kaum Parfums, vor allem nicht bei der Arbeit. Zu seinen persönlichen Duftfavoriten zählt er Jil Sander Men Pure und Vetiver von Commes des Garçons, "weil", so lacht er, "das habe ich selbst gemacht".
der Standard:Wie geht man es an, für Comme des Garçons einen Duft zu kreieren, worin liegen die Unterschiede im Vergleich zu einem "normalen" Auftrag?
Mark Buxton: Es gibt bei Comme des Garçons kein klassisches Briefing. Im Normalfall bekommen wir ja ein dickes Dossier mit vielen Infos: für welchen Typ von Frau das Parfum gedacht ist, wie alt sie ist, ob es ein Tages- oder ein Abendduft werden soll etc. Bei Comme des Garçons ist das anders. Beim ersten Auftrag war überhaupt alles ganz geheim, da wussten wir nicht einmal, dass es ein Duft für Rei Kawakubo werden sollte. Beim zweiten Duft hieß die Themenstellung "Schwarz", beim dritten Duft hieß es: Stell dir eine Blumennote vor, die es nicht gibt. Oder eine Rose auf dem Mond, wie würde die riechen?
Eine recht abstrakte Herangehensweise.
Christian Astuguevieille, Consultant von Comme des Garçons, mit dem ich eng zusammenarbeite, sagt: Je abstrakter wir bleiben, desto mehr Freiheit lasse ich für deine Kreativität. Ich kann ihm alles zeigen, was mir einfällt, und kann auch monatelang an etwas herumbasteln, wenn ich davon überzeugt bin. Wir reden dann oft nicht in Düften, sondern formulieren in Farben, etwa "Mach das noch ein bisschen mehr blau."
Das klingt nach einem langwierigen Kreationsprozess.
Ja, wir haben in der Regel sehr viel Zeit. Am zweiten Damenduft für Comme des Garçons haben wir zwei Jahre gearbeitet, das ist wirklich sehr lange. Der Trend heutzutage ist, dass man nur vier bis acht Wochen für eine Parfumkreation Zeit hat, das ist schon ziemlich pervers. Aber auch nicht sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es im Vorjahr 270 Parfum-Lancierungen gab. Das hat sich zu einer industriellen Produktion entwickelt: Flasche, Verpackung und Name sind schon fertig, und du musst nur mehr den Duft machen, der da reinpasst.
Arbeiten alle Marken so?
Ja, mit wenigen Ausnahmen, wie eben Comme des Garçons, und ein paar anderen kleinen Marken wie Annick Goutal oder Serge Lutens. Die nehmen sich noch Zeit und suchen neue Ideen.
Kann ein ungewöhnlicher Duft überhaupt eine größere Klientel erreichen?