Den Haag - Richter des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag haben am Donnerstag zwei bisherige Prozessbeobachter - die britischen Juristen Steven Kay und Gillian Higgins - zu den Pflichtverteidigern des angeklagten jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic berufen. Kay und Higgins sollen vom 7. September an die Verteidigung Milosevics übernehmen, wenn die ersten von dem Angeklagten berufenen Zeugen aufgerufen werden. Darüber hinaus wurde Milosevic freigestellt, noch einen weiteren Anwalt seiner Wahl zu benennen und sich weiterhin aktiv an seiner Verteidigung zu beteiligen.

Milosevic will gegen Entscheidung berufen

Milosevic kündigte an, die Berufungskammer anrufen zu wollen, um den Beschluss des Gerichts, ihm Pflichtverteidiger zuzuweisen, zu überprüfen. Die Entscheidung sei "illegal, sie verletzt internationales Recht, sie verletzt jede denkbare Vereinbarung zu den Menschenrechten", sagte der Ex-Präsident. Es sei ein Skandal, dass ihm just in dem Augenblick, in dem er sein Recht auf Verteidigung ausüben wolle, dieses entzogen werde. Der Vorsitzende Richter Patrick Robinson stellte Milosevic das Mikrofon ab und erklärte, das Gericht habe ausgiebig über seine Entscheidung beraten, die endgültig sei.

Berichte der Ärzte: Milosevic nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen

Robinson erklärte, Milosevic sei gesundheitlich nicht in der Lage, sich weiter selbst zu verteidigen. Die beiden vom Gericht als Gutachter bestellten Ärzte hätten festgestellt, dass Milosevic an gefährlich hohem Blutdruck leide und eine für ihn lebensbedrohliche Situation eintreten könnte, sollte er sich weiterhin allein verteidigen. Ein Angeklagter habe zwar das Recht, sich selbst zu verteidigen. Dieses sei bei langen Krankheitsperioden aber nicht uneingeschränkt.

Prozess soll nicht in Länge gezogen werden

"Es gibt eine reale Gefahr, dass dieser Prozess unverhältnismäßig lange dauert", sollte Milosevic sich weiter selbst vertreten, sagte Robinson. Die Berufung eines Pflichtverteidigers sei im Interesse der Justiz.

Weiteres Expertengutachten abgelehnt

Robinson wies darauf hin, dass sich Milosevic laut dem Befund der Ärzte nicht an die Einnahme ihm verschriebener Medikamente halte und damit selbst erheblich zu seinen Beschwerden beitrage. Ein von Milosevic beantragtes neues "Gutachten durch Experten aus Griechenland, Russland oder Serbien" lehnten die Richter mit zwei Stimmen bei einer Gegenstimme ab.

Prozessbeobachter begrüßten das Vorgehen des Tribunals. "Er wird jetzt bei weitem besser verteidigt, wenn er professionell vertreten wird", sagte eine Sprecherin der Internationalen Koalition für Gerechtigkeit, Judith Armatta.

Der frühere serbische und jugoslawische Präsident steht seit Februar 2002 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kriege in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo sowie wegen Völkermords im Bosnienkrieg vor Gericht. Einen Pflichtverteidiger lehnte er bisher ab. Wegen seiner gesundheitlichen Beschwerden - er leidet vor allem unter Bluthochdruck - musste der Prozess schon mehr als ein Dutzend Mal unterbrochen werden.

Am Dienstag begann Milosevic mit seiner Verteidigung

Zweieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses begann der frühere jugoslawische Staatspräsident am Dienstag mit der Darlegung seiner Verteidigung, wofür ihm 150 Tage zur Verfügung stehen. Dazu legte er eine Liste von 1.400 potenziellen Zeugen vor - unter ihnen der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der britische Premierminister Tony Blair und der frühere US-Präsident Bill Clinton. Gegen Milosevic liegen insgesamt 66 Anklagepunkte vor, unter anderem wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Laut Zeitungsbericht sei Milosevic für Verfahren von Partei und Freunden mit Millionen Euro unterstützt worden

Unterdessen berichtete die Belgrader Zeitung "Kurir", Milosevic sei bei seinem Verfahren vor dem UNO-Tribunal von seiner eigenen Partei und von Freunden mit Millionen Euro unterstützt worden. "Dutzende Millionen Dinare" seien für die Bezahlung der Milosevic-Prozesskosten bereitgestellt worden, sagte der Chef der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Ivica Dacic der Zeitung. Die Hilfe der Partei "wird in Millionen Euro gemessen", ergänzte sein Stellvertreter, Milorad Vucelic. Einzelheiten über die genaue Herkunft des Geldes wollten beide Funktionäre nicht nennen. (APA/AP/dpa)