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"Die SP hat nicht vor, die Steuer- und Abgabenquote zu erhöhen", sagte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer.

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Bregenz – Eigentlich hätte es für die SPÖ eine entspannte Präsidiumssitzung im Ländle werden sollen, um der Vorarlberger Landespartei einen Schub für die Landtagswahlen zu geben. Mit seiner Präsentation des sozialdemokratischen Wirtschaftsprogrammes hatte Budgetsprecher Christoph Matznetter der Bewegung Anfang der Woche allerdings eine Art Schubumkehr verpasst, deren Energie Parteichef Alfred Gusenbauer erst absorbieren musste.

Nein, das Programm sei noch kein endgültiges, sondern bloß ein Entwurf, der bis zum Parteitag Ende November noch mehrfach diskutiert und überarbeitet werde, wurde Gusenbauer nicht müde zu betonen. Als "Diskussionsvorlage" wollte der Vorsitzende die Vorschläge seines Steuerexperten verstanden wissen, doch klang seine Begründung, warum Matznetter die Vorlage so steil auf die SP-Spitzen gespielt habe, etwas bemüht: "Weil die SPÖ eine offene, demokratische Partei ist", in der viele gute Ideen vorgebracht und besprochen würden.

"Absolute Ideenlosigkeit der Regierung"

Es störe ihn auch nicht, dass sich die Regierung jetzt an diesem Entwurf reibe, meinte Gusenbauer weiter, denn schließlich habe sie in ihrer "absoluten Ideenlosigkeit" weder in Sozial- noch Wirtschaftsfragen irgendetwas zustande gebracht, siehe etwa die Gesundheitsreform oder die "dilettantischen" Verkaufsversuche von Telekom und VA Tech.

Außerdem sei einiges von Matznetters Vorschlägen zur "virtuellen Debatte" aufgebauscht worden, so etwa die Sparbuchsteuer: "Das war nicht einmal angedacht." Aber einen Schlussstrich unter die noch nicht abgeschlossene Diskussion um das Wirtschaftsprogramm seiner Partei könne er jetzt schon ziehen, sagte Gusenbauer: "Die SP hat nicht vor, die Steuer- und Abgabenquote zu erhöhen. Es wird sicher keine Rückkehr zur Schuldenpolitik geben."

Den Vorwurf, die SPÖ plane Steuererhöhungen, wies Gusenbauer als "Polemik" zurück. Genauso gut könne man sagen, die SPÖ plane eine Steuersenkung. Tatsächlich aber gehe es ihr um eine Umverteilung im bestehenden System, erläuterte der SP-Chef anhand eines Beispiels: Bei der Kommunalsteuer, die Betriebe entrichten und die jetzt drei Prozent der Lohnsumme beträgt, soll künftig ein Mischsystem eingeführt werden, wobei der erzielte Gewinn des Unternehmens besteuert werden soll. Es würde vor allem Klein- und Mittelbetriebe freuen, wenn die Kommunalsteuer nicht nur nach den Köpfen der Beschäftigten, sondern auch nach Erträgen der Unternehmen berechnet würde, glaubt Gusenbauer.

Tadel und Lob

Trotz der grundsätzlichen Kritik am letztlich gescheiterten Verkauf der Telekom und an den Versuchen der Regierung, weiter "Familiensilber" zu veräußern, sieht Gusenbauer eine "erfreuliche Bewegung": Erstmals habe Kanzler Wolfgang Schüssel eine "konstruktive Reaktion" und die Bereitschaft gezeigt, das ÖIAG-Gesetz zu ändern, um den "blinden Abverkauf" gut gehender Unternehmen zu stoppen und zu einer pragmatischen Wirtschaftspolitik zurückzukehren. Gusenbauer schlug die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft vor, in der die heimischen Infrastrukturbetriebe zusammengefasst werden sollen, und die garantieren soll, dass der Kern der Unternehmen in öffentlicher Hand bleibt. Außerdem wäre die Gründung eines Industriefonds angebracht, der ebenfalls für den Erhalt österreichischer Kernaktionäre und die Gründung neuer Industriebetriebe mit heimischem Kapital sorgen soll. Dass die Idee für einen Industriefonds von der Industriellenvereinigung unterstützt werde, wertet Gusenbauer als ein erstes Signal dafür, dass an der "blinden Privatisierung" nicht mehr festgehalten wird.

Nach so vielen Klarstellungen waren bald "alle Missverständnisse ausgeräumt", wie es die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller dem Vernehmen nach formulierte. Also konnte die SP-Spitze darangehen zu tun, was die Vorarlberger Genossen erwarteten: ein wenig wahlzukämpfen. (Samo Kobenter, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.9.2004)