Sie tauschen die Kalaschnikow gegen den Computer, drücken die Schulbank statt im Hinterhalt zu liegen, und vertreiben mit Englischvokabeln die Sprache der Gewalt aus ihren Köpfen. Mit deutscher Hilfe werden in Kundus im Norden Afghanistans ehemalige Milizionäre und Armeesoldaten wieder ins zivile Leben geführt. Die Kurse und Handwerkerlehrgänge sind Teil der Arbeit des deutschen Wiederaufbauteams PRT, das seit Oktober vergangenen Jahres in Kundus mit Bundeswehr und zivilen Helfern aktiv ist. Schwierigkeiten Einfach ist es nicht, aus den bisherigen Kämpfern Lehrlinge in örtlichen Betrieben zu machen. Wenn die Betreuer mit einem ihrer Schützlinge bei Handwerkern anklopfen, um Ausbildungsplätze zu suchen, stoßen sie auf viel Skepsis. "Da ist Überzeugungsarbeit vonnöten, weil diese Männer keinen Respekt genießen, weil sie sich erst an Pünktlichkeit und Disziplin gewöhnen müssen, und weil die Inhaber der Betriebe Angst vor Diebstählen haben", sagt Walter Pausch vom Deutschen Entwicklungsdienst DED. Support Der DED unterstützt die Arbeitsgemeinschaft Entwicklung und Fachkräfte (AGEF) mit Bundesmitteln und Experten. Die Pilotphase mit Kursen und Arbeitsvermittlung für gut 200 Männer zwischen 19 und 36 Jahren geht gerade zu Ende. Hinter dem AGEF-Programm steht die Erkenntnis, dass in Afghanistan nur Frieden einziehen kann, wenn die bisherigen Kämpfer und auch Soldaten aufgelöster Armeeeinheiten eine Chance im zivilen Leben bekommen. Zu Zeiten des Widerstands gegen die sowjetischen Besatzer in den 80er Jahren war jede Familie stolz, wenn einer von ihnen bei den Mudschaheddin kämpfte. Nach dem Abzug der Sowjets und dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes begann in den 90er Jahren aber der Bürgerkrieg zwischen den Mudschaheddingruppen. Seitdem gelten die lokalen Warlords und ihre Truppen als Wegelagerer, die kleine Gebiete beherrschten und der Bevölkerung Geld abpressten. Angst Respekt hat deshalb niemand mehr vor diesen Kämpfern, allenfalls Angst. Wo die neue Regierung sich durchsetzt und langsam die Sicherheit zurückkehrt, können die Warlords ihre Söldner nicht mehr ernähren. Damit gewinnen die Wiedereingliederungsprogramme an Attraktivität. Die Vereinten Nationen versprechen Milizionären Hilfe, die ihre Waffe abgeben und sich registrieren lassen. Sie können nach Hause in ihre Dörfer gehen, Unterstützung für ihre Bauernhöfe beantragen oder sich für eine Lehre melden. Das AGEF-Programm ist Teil der Ausbildungsangebote. Wer schon lesen und schreiben kann und ein Handwerk beherrscht, hat die Chance, in einem zweiwöchigen Kurs die kaufmännischen Kenntnisse für einen eigenen Betrieb zu erwerben und den Umgang mit dem Computer zu lernen. Außerdem werden mehrmonatige Einsätze auf Lehrbaustellen oder in örtlichen Betrieben vermittelt. Aggressionen Leicht haben es Arbeitgeber und Kollegen mit den Neuen nicht. "Wir stellen fest, dass sie Konflikte sehr schnell mit den Fäusten austragen", sagt Pausch. Mit der Zeit lernen die Exkämpfer aber dazu, und die ersten Absolventen haben auch gute Chancen, Arbeit zu finden. Vor allem die Baubranche boomt im Norden Afghanistans. Nach Pauschs Ansicht müsste aber auch die örtliche Kleinindustrie in Gang kommen. Sie könnte zum Beispiel Pflüge, Eggen und andere landwirtschaftlichen Geräte herstellen, damit es auch künftig genug Arbeitsplätze für die Absolventen der Kurse gibt. Sonst könnten die Exkämpfer wieder abrutschen. "Die Gefahr ist nicht, dass sie wieder Milizen aufmachen, sondern dass sie kriminell werden", meint Pausch. (APA)