Prag/London/Den Haag/Genf/Moskau - Die internationalen Pressekommentare zum blutigen Ende des Geiseldramas in Russland beschäftigten sich am Samstag vorwiegend mit Präsident Wladimir Putins kompromissloser Haltung im Tschetschenienkonflikt.

So meint die linksliberale tschechische Tageszeitung "Pravo" am Samstag:

"Solange Präsident Putin seine Tschetschenien-Politik nicht ändert, sind weitere Tragödien zu erwarten. Denn das ist wohl die Lehre des Beslan-Dramas: Der Krieg im Kaukasus hat beide Seiten brutalisiert. Lösen lässt sich der Konflikt aber wohl nur auf eine Weise - mit Verhandlungen."

Das niederländische unabhängige "Algemeen Dagblad" schreibt:

"Der Präsident kennt nur die Sprache des Gewehrs. Er stellt das Problem, in dem es um die Autonomie einer Teilrepublik geht, als Teil des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus dar. Die tschetschenischen Kämpfer haben sich dem vollständig angepasst in der Wahl ihrer Methoden - mit Selbstmordanschlägen, Bomben in Flugzeugen und Geiselnahme. Putins Tschetschenien-Politik hat dem Land bis jetzt vor allem Unheil gebracht. Die internationale Gemeinschaft muss den russischen Führer zur Einsicht bringen, dass der Kampf nur am Verhandlungstisch ausgefochten werden kann. Andernfalls wird es noch viele unschuldige Opfer des tschetschenischen Problems geben."

Die britische Zeitung "The Times" (London) meint:

"In den nächsten Tagen wird sich ein von Millionen Russen empfundenes Gefühl der Wut in Rufen nach unverzüglicher Rache niederschlagen. Putin sollte dem widerstehen. Putin muss vor allem die zivile moslemische Mehrheit in Tschetschenien auf seine Seite bringen. Die Solidarität, mit der französische Moslems ihre Regierung diese Woche bei den Bemühungen unterstützten, zwei als Geiseln im Irak festgehaltene Journalisten freizubekommen, gibt ein wenig Anlass zum Optimismus. Es mag zu weit gehen zu hoffen, dass die tschetschenischen Moslems Beslan als Einsatzzeichen dafür sehen werden, Moskau gegen die Rebellen in ihrer Mitte zu unterstützen. Aber zu diesem Zeitpunkt ist es nur die Hoffnung, die ihnen und Russland noch bleibt."

Der "Tages-Anzeiger" (Zürich) meint dagegen:

"Die wohlfeile Forderung nach einer "politischen Lösung" ist rasch vorgebracht. Aber wer soll denn mit wem verhandeln? Und ließen sich damit die Terroristen stoppen? Genauso wenig können die UNO oder die OSZE in diesem Konflikt ausrichten. (...) Mit den Öleinnahmen der Kaukasusrepublik ließe sich der Wiederaufbau finanzieren. Beides würde die Terroristen weiter isolieren und ihnen den Nährboden für die Rekrutierung des Nachwuchses entziehen. Das kann aber nur geschehen, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin radikal umdenkt."

Die Moskauer Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda":

"Leider könnte unser Land einen Spitzenplatz einnehmen auf der traurigen Liste der Länder, die die meiste Erfahrung im Kampf mit der Hauptbedrohung der Gegenwart haben - dem internationalen Terrorismus. Vor allem im Kapitel, das sich mit Geiselnahme in großem Stil befasst. Aber wie die Ereignisse in Beslan zeigen, haben wir aus den Erfahrungen (der Anschläge) von Budjonnowsk (1995) und im Musicaltheater im Moskauer Stadtteil Dubrowka (2002) nichts gelernt." (APA)