Die irakische Realität hat uns wieder. Was sich am Wochenende in weiten Teilen des Landes abgespielt hat, kann als nichts weniger als Krieg bezeichnet werden. Nicht nachprüfbar sind dabei Berichte, dass die neue irakische Armee bereits eine militärisch wichtige Rolle an der Seite der US-Armee eingenommen hat. Es scheint wahrscheinlicher, dass ihre Teilnahme von der irakischen Übergangsregierung aus psychologisch propagandistischen Gründen betont wird, zumindest war es im Fall von Najaf so.

Die Gewalt kam am Wochenende wieder aus dem sunnitisch-nationalistischen Umfeld. Für Oktober wird mit einer neuen Offensive beider Seiten gerechnet. Die Wahrheit ist ja, dass sich in den sunnitisch dominierten Gebieten etliche Städte nicht in der Kontrolle des irakischen Staates befinden. Die Festnahme von Izzat Ibrahim al-Duri ist da eine gute Nachricht. Zwar hatte dieser weder das persönliche noch das militärische Format zu einer Führungsrolle im Widerstand und dürfte noch dazu in äußerst schlechtem Gesundheitszustand sein, aber als höchstrangiger flüchtiger Regimevertreter war er doch eine Symbolfigur für die Rebellen: nicht zuletzt, weil er selbst eine geradezu personifizierte Symbiose von Baathismus und Islamismus ist.

Für alle Entführten, auch die Franzosen, die sich noch in der Gewalt von Geiselnehmern befinden, ist das hingegen ein extrem kritischer Moment: Hoffentlich müssen nicht sie die Rechnung für die Ergreifung Izzat Ibrahims bezahlen. An die obersten Autoritäten des sunnitischen Islam im Irak kam übrigens jetzt eine Anfrage einer extremistischen Gruppe, sich in einer Fatwa zu den Entführungen zu äußern: ob diese islamisch rechtens seien oder nicht. Wenn die Antwort so ausfällt, wie man hofft - also anders, als die Extremisten hoffen -, ist wenigstens klargestellt, dass diejenigen, die sich nicht daran halten, sich nicht auf den Islam berufen können. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.9.2004)