Fragen gibt es genug. Da ist die Zahl der Geiseln. Woher kamen die offiziellen "354", die zwei Tage kursierten. Man hat sich um mehr als 800 "verschätzt", wenn die jetzige Zahl 1181 stimmt. Dass man binnen dreier Tage in einer Provinzstadt, wo viele einander kennen, nicht eruieren konnte, wie viele Leute in der Schule waren, mutet befremdlich an. In der Schule waren über 800 Kinder eingeschrieben.
Die Fehleinschätzung ist auch für die Hilfeleistung brisant. Auch hier stellen sich Fragen: Zwei Flugzeuge des Ministeriums für Katastrophenschutz aus Moskau, die Ärztebrigaden und Wiederbelebungsapparaturen transportierten, landeten erst Samstagfrüh - 13 Stunden nach dem Beginn der Befreiungsaktion - in Beslan. Beim Moskauer Geiseldrama war die Organisation der ärztlichen Versorgung nach dem Sturm das größte Versagen überhaupt gewesen.
Hinzu kommt die Frage, weshalb zwei prominente Tschetschenienjournalisten aus mysteriösen Umständen nicht nach Beslan gelangten. Auch wurden dem Kamerateam des russischen Senders ORT von Männern in Zivil Filme über Verletzte im Krankenhaus weggenommen. Ein georgisches TV-Team wurde überhaupt festgehalten.
Die Kommentatorin der Tageszeitung Iswetija, Irina Petrowskaja, nannte es eine "nationale Schande", dass die russischen Journalisten im Gegensatz zu ihren ausländischen Kollegen "keine Möglichkeit hatten, das Geschehen zu zeigen". Laut Wirtschaftszeitung Kommersant hatten die Mitarbeiter des Senders NTW Anweisung, vor der öffentlichen Bekanntgabe die Zahl der Toten nicht zu erwähnen. Der Tschetschenienbezug sollte außerdem klar heruntergespielt werden.