Wien - Um jeden Zweifel zu unterbinden, der durch die nachfolgende Schilderung möglicherweise entstehen könnte, muss festgehalten werden: Mit seinem siebten Soloprogramm Vom Leben hat sich Günther Paal selbst übertroffen. Der ins Transzendentale abdriftende, aber nach einer grotesken Grenzerfahrung (Schulautobuslichter am Ende des Tunnels) wieder im Leben endende "Entlebnisbericht" ist grandios komponiert.

Dabei hätte man bis zur Pause kaum gedacht, dass dieses Resümee zu ziehen sein werde. Denn Paal, der beängstigend regelmäßig seine Programme herausbringt, berichtet in gewohnter, gewöhnungsbedürftiger Manier von einer Reise in eine "Gegend", in die man gerät, wenn man rechtwinkelig aus der Zeit abbiegt. Dort, wo es kein logisches Vorher und kein Nachher gibt, trifft er auf eine kleine Figur, die er "Zmurcht" nennt: Sie hätte, sagt sie, nur auf ihn gewartet (was gelogen ist, da es keine Zeit gibt).

Und wenn Paal die zum Teil absurden Dialoge nachspielt, dann denkt man, er hat es sich einfach gemacht, den ganzen Plot nur geklaut: Man fühlt sich an Beckett erinnert, an Alice in Wonderland, an Momo. Zudem hat der eigenartige Zmurcht im Kopf des Zuhörers unweigerlich das Aussehen des Nowhere Man aus Yellow Submarine. Sogar das Loch zitiert Paal, durch das man, aus der Hosentasche gezogen, schlüpfen kann.

All dies ist nur die Exposition: Paal gerät in ein unbeschreibliches Chaos der "verpassten Gelegenheiten". Um ihn herum spielen sich zwischenmenschliche Begebenheiten ab, die, wären sie nicht verpasst worden, Auswirkungen gehabt hätten. Inmitten dieser Szenen steht Paal, von Zmurcht allein gelassen: Was wäre, denkt er sich, wenn er als Ganzes eine verpasste Gelegenheit ist? Damit aber niemand aussteigt, flicht Paal ein paar brillante Exkurse ein. Über das Seitpferd im Turnsaal, über die reine, aber ungerechte Liebe, über die Phobophobie als den Jackpot unter den 400 bekannten Ängsten.

"Ich kam von dort, wo die Zeit von alleine vergeht", erklärt der Erzähler: "Ich kam vom Leben." Dass die Zeit in der Kulisse (bis 18. September) noch schneller vergeht: Dies ist Günther Paals Werk. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 9. 2004)