Brüssel/Wien - Der Chef des Institutes für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, kann den neuen Vorschlägen nur wenig abgewinnen: Die "uralte Idee antizyklischer Budgetpolitik", die bisher nie zustande gekommen sei, sieht er in den Reformvorschlägen der EU-Kommission für den Wachstums- und Stabilitätspakt.

Grundsätzlich begrüßt Felderer den Ansatz, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Defizite anwachsen zu lassen und diese im Aufschwung durch Überschüsse zu kompensieren. Als problematisch könne sich aber die Definitionsfrage erweisen, denn die tatsächliche Länge einer Schwächephase sei im Vorhinein nicht bekannt. Übermäßige Defizite über einen längeren Zeitraum - Felderer nannte zum Beispiel acht Jahre - seien nicht zu tolerieren.

Die Vorschläge

Wegen der anhaltend hohen Neuverschuldung in zahlreichen EU-Staaten hat die EU-Kommission wie berichtet eine flexiblere Auslegung des Euro-Stabilitätspaktes angeregt. Nach den am Freitag in Brüssel verabschiedeten Ideen von Währungskommissar Joaquin Almunia sollen den Staaten bei lang anhaltender Konjunkturflaute künftig eine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent erlaubt werden. Defizitsünder sollen außerdem mehr Zeit für die Wiedereinhaltung des Paktes erhalten. Im Gegenzug strebt sie eine strengere Überwachung der Gesamtverschuldung in wirtschaftlich guten Zeiten an.

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi erklärte, er sei "fest davon überzeugt, dass die Vorschläge den Pakt stärken und glaubwürdiger machen werden." Es gehe der Kommission weniger um eine Änderung des Paktes als um eine politische Erklärung zu seiner Anwendung. Der Pakt werde durch die Änderungen "intelligenter".

Kritik von EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist gegen Änderungen am Stabilitäts- und Wachstumspakt. "Der Pakt bietet einen angemessenen Rahmen, der allen Staaten den gleichen Spielraum für ihre Haushaltsentwicklungen bietet", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. (Reuters, dpa, APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.9.2004)