... ob es die Formel für den besten Gruselfilm, für Rückwärtseinparken oder den geeigneten Stöckelschuh ist - manch einem Fachkollegen gefriert dabei das Blut in den Adern

Das renommierte King's College in London überraschte jüngst mit einer doch eher ungewöhnlichen Presseaussendung. Britische Mathematiker wollen eine Formel für den perfekten Gruselfilm gefunden haben. Von Blut und Eingeweide bis zum Schockeffekt enthält sie alle bekannten Zutaten des Grauens und identifizierte Stanley Kubricks The Shining als König der Horrorstreifen.

Auch Fachkollegen lässt die Formel das Blut in den Adern gefrieren. Aber nicht wegen der Erinnerung an Jack Nicholson und wie er keineswegs zur Freude seiner Familie in einem abgeschiedenen Hotel seine Liebe zur Axt entdeckt. Der Schrecken sitzt in der Formel selbst. Als "Kraut und Rüben" bezeichnet sie Heinz Engl, Leiter des Kompetenzzentrums Industriemathematik in Linz und Vorsitzender der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft. Dass die vorkommenden Horrorzutaten für eine korrekte mathematische Beschreibung in denselben Einheiten gemessen werden müssten, ist nur einer seiner Kritikpunkte. Schockeffekte und Eingeweide können nicht beide in Kilogramm angegeben werden. Sie aufeinander zu beziehen ist schwer. "So etwas kann ich nur als Jux bezeichnen", lautet demgemäß Engls abschließende Beurteilung.

Einen Jux wollen sich Wissenschafter - scheint es - öfter machen. Im März dieses Jahres präsentierten Forscher des Londoner Institute of Physics, inspiriert von der High-Heels-Expertin Carrie Bradshaw alias Sarah Jessica Parker aus Sex and the City, eine Formel mit der sich errechnen lässt, wie hoch ein Stöckelabsatz sein darf, um die Trägerin des Schuhwerks nicht zu Fall zu bringen. Faktoren wie die Erfahrung im Tragen von High Heels bis zur Anzahl der bereits geschlürften Cocktails werden berücksichtigt. Als mathematische Grundlage diente der Satz von Pythagoras.

Bitterernst war es wahrscheinlich dem ebenfalls britischen Mathematiker Chris Hope vom Judge Institute of Management, als er sich darüber Gedanken machte, wann es für einen Fußballklub Zeit ist, seinen Trainer zu entlassen. Er entwickelte ein statistisches Analysemodell zur Entscheidungshilfe. Ob Spaß oder Ernst - den Leser amüsiert es. Forscher wie Heinz Engl nicht: "Mathematiker werden in der Öffentlichkeit als Genies oder Spinner dargestellt und nicht als Wissenschafter, die einen wichtigen Beitrag zur Lösung von Problemen aus Technik und Wirtschaft leisten", so seine Kritik. Doch das fünfköpfige Schaf fasziniert immer noch am meisten, ist die für den seriösen Forscher bittere Medienwahrheit.

Interessen des Alltags

Angesichts dessen bleiben dem Mathematiker im Prinzip zwei Möglichkeiten, sich und sein Fach breitenwirksam unter die Menschen zu bringen: der Beweis eines Jahrhundertproblems oder die skurrile Verknüpfung der Mathematik mit den Interessen des Alltags und der Populärkultur. Gruselfilme, Stöckelschuhe und Fußball sind dafür naturgemäß ideal.

Da darf das Auto natürlich nicht fehlen: Im Oktober vorigen Jahres trat der deutsche Mathematiker Norbert Hermann mit einer Formel für das optimale Rückwärtseinparken an die Öffentlichkeit - nach eigener Angabe animiert durch eine im Internet kursierende, jedoch nach seinem fachmännischen Urteil ziemlich fehlerhafte Formel der britischen Mathematikerin Rebecca Hoyle.

Das Medieninteresse war garantiert. Hermann brachte sein mathematisches Modell zum Parallelparken immerhin einen Bericht beim deutschen Fernsehsender Vox - obwohl es eigentlich nicht einmal praxistauglich war. Aber das ist im Fernsehen egal. (Martina Gröschl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 9. 2004)