Der Stabilitätspakt in seiner geltenden Form ist eine grobe Fehlkonstruktion und zusammen mit den vielen Strukturschwächen maßgeblich für die europäische Wachstumsschwäche verantwortlich. In Boomzeiten dürfen die Staaten tun, was sie wollen - niemanden kümmert es, ob Pensionssystem, Gesundheitssystem und Arbeitsmarkt konsolidiert werden. Und in schlechten Zeiten legt der Stabilitätspakt den Staaten ein festes Korsett an, ohne den geringsten Spielraum um gegenzusteuern. Kommen dann auch noch die Strukturschwächen an den Tag, um die sich in guten Zeiten niemand kümmerte, dann gibt es europäische - oder gar deutsche - Verhältnisse.

Besser und intelligenter

Der neue Entwurf ist da deutlich besser und intelligenter, wie es Romano Prodi ausdrückte. Möglicherweise verabschiedet sich die alte Kommission mit der besten Innovation ihrer Amtszeit. Den Plänen zufolge sollen Staaten in Boomzeiten verpflichtet werden, Budgetüberschüsse zu erzielen und sich auch mit den Strukturreformen nicht zu viel Zeit lassen. Sonst versendet Brüssel die beliebten blauen (Mahn-)Briefe. Dafür gibt es in Konjunkturflauten großzügigere Spielräume und Ausnahmen für Forschung und Entwicklung.

Nebelmauern

Ziemlich interessant, wie Österreichs Wirtschaftspolitik vor dem "Stabilitätspakt neu" beurteilt würde: Vermutlich hätte Finanzminister Karl-Heinz Grasser schon einige blaue Briefe bekommen. Zum einen macht er in Aufschwungsphasen neue Schulden statt Überschüsse, zum anderen eiert Österreich bei den wichtigen Strukturreformen wie der Pensionsproblematik herum und diskutiert über die Nebelmauern, die von der Regierung aufgestellt werden, statt über Fakten.

Brüssel wird diese Schmähpolitik von Grasser und Schüssel möglicherweise bald tiefblau färben - mit Mahnbriefen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.9.2004)