W., der von der Stadtzeitung, und H., der mit den weißen Handschuhen und der Radiosendung, begannen unruhig zu werden. Immer noch besser als eine öde Präsentation, las ich aus ihren Mienen – und der Mann mit der Skaterhose legte einen kleinen Cliffhanger dazu: Ob ich denn wüsste, fragte er, was der Irre jetzt täte. Es sei ja in letzter Zeit ein bisserl ruhig um ihn geworden.
Vergessene Fütterung
Ich gab auf. Manchmal hilft nur direkte Unhöflichkeit: Wovon er denn rede, fragte ich. Manche Leute reagieren in solchen Fällen gekränkt. Der Skaterhosenmann nicht: Humer, sagte er, Martin Humer. Pornojäger. Weil der uns – der Mann in der Skaterhose zeigte zuerst auf mich und dann auf sich – doch mit Frankfurtern gefüttert habe.
Der Pornojäger? fragte ich entsetzt – und dann begann es zu dämmern. Der Skaterhosenmann hatte mich in einem anderen Leben in die Wohnung des damals sehr aktiven Pornojägers begleitet. Der Mann in der Skaterhose war Fotograf. Damals jedenfalls. Und ich hatte Martin Humer überredet, uns bei sich daheim zu empfangen. Ich stöhnte auf. Mittlerweile – im Hier und Jetzt – hatten H. und W. die Buchpräsentation völlig vergessen: Wie es dort ausgesehen habe, fragten sie den Skaterhosenmann und mich. Und plötzlich war alles wieder da. Auch bei meinem einstigen Begleiter.
Der Pornosspeicher
Die Wohnung, erzählten wir, habe eher wie ein Lager gewirkt: Drei große Räume, in denen Regale dicht an dicht – man kam gerade dazwischen durch - vom Boden bis zur Decke standen. Und alle waren sie voll mit Schweinekram. So sagte es jedenfalls der Pornojäger. Videos, Hefte, Magazine, Filme: Es dürfte sich um eine der größten und komplettesten Sammlungen Österreichs – wenn nicht Europas – gehandelt haben. Und er, hatte uns Humer erklärt, kenne sie alle. Von der ersten bis zur letzten Szene, vom hintersten bis zum vordersten Bildchen: Irgendjemand, sagte der Jäger mit Opfermiene, müsse die schwere Arbeit ja auf sich nehmen und das alles sichten. Und dann zur Anzeige bringen. Auch wenn das korrupte Justizsystem – Humer sagte das anders, härter und ziemlich klagbar – sich nicht um seine rechtschaffene Arbeit kümmere.
Er habe, klagte der gottesfürchtige Wächter, ein hartes Los: Mit dem ersten Hahnenschrei stehe er auf – und zöge sich den ersten Porno rein. Dann erst habe er Zeit für das Morgengebet. Dann gäbe es noch ein zwei Pornos, dann Frühstück. Zwischen den Vormittagspornos, einer kleinen Andacht und dem Mittagessen setze er Schriftsätze auf. Dann sähe er Pornos, bäte Gott um Vergebung und erledige seinen Schriftverkehr. Vor dem Abendessen ... und so weiter. Dem Fotografen und mir stand der Schweiß auf der Stirn. Aber Menschen wie Humer, wussten wir, meinen, was sie sagen.
Teuflische Komplizen
Wo er die Zeit hernähme, sich dann auch noch in Sexshops herumzutreiben und zu demonstrieren, wollten wir wissen – aber Humer war nicht mehr nach Antworten: Einer von uns hatte eine halbe Sekunde zu lang auf die Hülle eines Videos geschaut. Und wohl nicht gottgefällig genug empört dreingeschaut: Wir wären ja im Grunde auch Gesandte der teuflischen Komplizenschaft, herrschte Humer uns an – schließlich würde in dem Heft für das wir schrieben, nicht ausschließlich die reine Lehre verteidigt. Ob wir überhaupt Bildung besäßen?
Humer ließ irgendeinen Küchenlateinspruch über das Ende der Welt und die Rohheit der Sitten vom Stapel – und stoppte in der Mitte. Wir – damals beide noch halbwegs frisch aus der Schule - beendeten den Satz. Fehlerfrei. Humer war sichtlich beeindruckt – und lud uns in seine Küche zum Essen ein: Es gab Frankfurter.