Peking - Die durch tagelange heftige Regenfälle verheerenden Überschwemmungen in China mit bisher mindestens 115 Toten haben am Dienstag dicht bevölkerte Gebiete am Jangtse bedroht. Mehr als eine halbe Million Menschen waren bereits geflüchtet, Dutzende wurden vermisst. Rund 5000 Soldaten, 110 Schnellboote und Hubschrauber wurden in der schwer betroffenen Provinz Sichuan für Rettungsarbeiten mobilisiert.

"Das größte Problem sind Trinkwasser und Nahrungsmittel für eine Million Menschen", berichtete Gouverneur Zhang Zuoha im Staatsfernsehen. Allein in seiner Provinz wurden bereits 78 Tote gezählt. 50 galten als vermisst. Es besteht Seuchengefahr. In den Hochwassergebieten muss desinfiziert werden. "Wir machen uns auch Sorgen über den Zustand von mehr als 300 Stauseen", warnte der Gouverneur von Sichuan vor Dammbrüchen.

Schifffahrt verboten

Erstmals seit dem Bau der Staumauer des "Drei-Schluchten-Damms" gab es eine Flutwarnung für das größte Wasserkraftprojekt der Erde. Techniker wiesen auf die Schleusentore des Damms hin: Diese seien groß genug, um die Wassermassen durchzulassen. Der Wasserstand stieg so hoch, dass Schiffe seit Montagabend nicht mehr fahren durften.

Im Juni vergangenen Jahres war der Jangtse am "Drei-Schluchten-Damm" erstmals gestaut worden. Das Becken füllte sich, als vorgesehene Staumenge wurden 39 Milliarden Kubikmeter genannt; eine Wassermenge, die ganz Österreich einen halben Meter hoch überfluten könnte.

Nun haben die Wassermassen am Damm eine kritische Marke überschritten. Es wird befürchtet, dass die Deiche entlang des Jangtse-Flusses vor der Staumauer brechen könnten. Diese sollen bis auf weiteres rund um die Uhr kontrolliert werden.

Mangel an Trinkwasser

Weiter flussabwärts vom Damm wurde Hochwasseralarm für die eng besiedelte Provinz Hubei gegeben. Sie wird immer wieder von heftigen Überschwemmungen getroffen. Die Behörden fürchten auch dort Deichbrüche.

Die Rettungsarbeiten in Sichuan und der Stadt Chongqing liefen auf Hochtouren. 127.000 Häuser sind zerstört oder beschädigt. Ein Wasserstrom floss durch das Stadtzentrum von Dazhou (Sichuan). Allein dort wurden 52 Tote und 30 Vermisste gezählt wurden. Viele Teile der Stadt waren noch ohne Strom, Gas und Wasserversorgung.

Bürgermeister Zhang Zhike sagte laut Tageszeitung China Daily: "Wir haben für Hunderttausende Menschen kein Frischwasser. Alles Mineralwasser in den Geschäften ist aufgekauft und alle Fertignudeln sind weg." Die Behörden sorgen für Nachschub. (dpa, Der Standard, Printausgabe, 08.09.2004)