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VA Tech-Mitarbeiter protestierten am Dienstag in München, Linz und Weiz gegen eine Übernahme durch den Siemens-Konzern.

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Wien/München - Im Abwehrkampf gegen die drohende Übernahme des größten österreichischen Technologiekonzerns VA Tech durch Siemens hat die Regierung am Dienstag aktiv eingegriffen und den deutschen Elektromulti massiv vor einem feindlichen Offert gewarnt. Wie erwartet wurde im heutigen Ministerrat eine Änderung des Privatisierungsauftrags beschlossen. Damit hat die Staatsholding ÖIAG, die noch 15 Prozent an der VA Tech hält, nun freie Hand, bei der geplanten Kapitalerhöhung mitzuziehen, um so auf ein mögliches feindliches Offert reagieren zu können. Von der Regierung als Vorgabe für die ÖIAG festgeschrieben wurde auch die "Einheitlichkeit des Unternehmens".

"Stabiler Kernaktionär"

Der veränderte Regierungsauftrag sei ein Signal dafür, dass sich die Republik Österreich als "stabiler Kernaktionär" der VA Tech sehe und "sich in absehbarer Zeit so sehen will", erklärte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) am Nachmittag. Eine Aufstockung des ÖIAG-Anteils über die derzeit gehaltenen 15 Prozent hinaus ist in dem geänderten Privatisierungsauftrag nicht vorgesehen. Finanzminister Karl-Heinz Grasser hatte dies schon vor dem Ministerrat ausgeschlossen: "Das hieße ein Zurück zur Politik der Verstaatlichung."

Auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) betonte, bei der Änderung des Privatisierungsauftrags handle es sich um "keine Abkehr von der Privatisierungspolitik". Es gehe nur darum, der ÖIAG ein entsprechendes Instrument in die Hand zu geben, damit sie einerseits ihren Auftrag erfüllen und andererseits die Einheit der VA Tech wahren zu können.

Grasser hofft auf Siemens-Rückzug

Die Regierung betrachte jedes Offert durch Siemens und/oder Kovats als feindliche Übernahme, erklärte Grasser nach einem kurzfristig einberufenen Gipfel mit den Vorständen von ÖIAG und VA Tech im Finanzministerium. Um eine solche abzuwehren, würde die ÖIAG bei einer Kapitalerhöhung der VA Tech mitziehen. Er gehe aber "davon aus, dass Siemens diese Signale richtig interpretiert". Dementsprechend hofft der Minister, dass die ÖIAG auch bei einer VA Tech-Kapitalerhöhung nicht mitziehen muss.

Nach Analysen und Gesprächen mit dem VA Tech-Vorstand und der ÖIAG sei die Regierung zur Erkenntnis gelangt, dass die VA Tech nicht zu Siemens passt, weil zu viele Parallelitäten bestünden, so Grasser. Eine freundliche Übernahme sei daher auszuschließen.

Kein Kommentar von Siemens

Siemens hat eine Stellungnahme nach den heutigen Ereignissen abgelehnt. "Wir kommentieren das nicht", sagte ein Sprecher von Siemens Dienstagnachmittag zur APA. Das Interesse an VA Tech bestehe aber weiter, daran habe sich nichts geändert. "Solange es keine Beschlüsse (des Vorstandes, Anm.) gibt, sagen wir nichts."

Vorstand sieht sich bestätigt

Der VA Tech-Vorstand sieht sich durch die deutliche Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung gegen eine Übernahme durch Siemens und/oder die Victory Industriebeteiligung in seiner eingeschlagenen Strategie, den Konzern in eine nachhaltig profitable Zukunft zu führen, bestätigt.

"Wir sehen dies als die bestmögliche Entscheidung sowohl für unsere Aktionäre, als auch für unsere Kunden und MitarbeiterInnen", so Klaus Sernetz, Vorstandsvorsitzender der VA Tech heute, Mittwoch, in einer Aussendung,

Michaelis: "Zusammengehen nicht zielführend"

Wie Grasser hat auch ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis am Dienstag ein "Zusammengehen von VA Tech und Siemens" als "nicht zielführend" bezeichnet. Noch vor einer Woche hatte Michaelis eine freundliche Übernahme durch Siemens nicht ausgeschlossen. Nach Gesprächen mit dem Münchner Konzern könne man nun aber "ausscheiden, dass eine solche Version denkbar wäre", betonte Michaelis nach dem VA Tech-Gipfel im Finanzministerium.

Ein mögliches Mitziehen der ÖIAG bei der Kapitalerhöhung sei durchaus im Interesse des Privatisierungsauftrags. Durch das eingeleitete Restrukturierungsprogramm sei von einer weiteren Wertsteigerung bei der VA Tech auszugehen, meinte Michaelis weiter. Kritik von VA Tech-Großaktionär Mirko Kovats (12,6 Prozent), dass ein Mitziehen der ÖIAG am Kapitalmarkt auf Unverständnis stoßen könnte, weist die ÖIAG zurück. Es sei in der Phase einer drohenden feindlichen Übernahme "wichtig, dass die ÖIAG als stabilisierender Faktor an der Kapitalerhöhung teilnimmt", so Michaelis.

Am Plan der Kapitalerhöhung im Ausmaß von maximal 25 Prozent hält VA Tech-Konzernchef Klaus Sernetz fest. Sernetz ist "optimistisch", von der Hauptversammlung am 21. September grünes Licht dafür zu bekommen. Ob sie freilich noch heuer kommt, sei vom Börsenumfeld abhängig. "Vor Zehn Tagen hätte ich nie erwartet, dass es so eine klare Stellungnahme des Eigentümervertreters geben wird", sagte der neue VA Tech-General. Die Änderung des Regierungsauftrags bedeute auch einen Auftrag: "Wenn wir diese Phase überleben, dann müssen wir das Unternehmen eigenständig in die Zukunft führen."

Proteste der Belegschaft

Um gegen eine mögliche Übernahme ihres Unternehmens zu protestieren, haben heute Morgen etwa 100 Beschäftigte der VA Tech aus Linz vor der Siemens-Konzernzentrale in München protestiert. Auch an den VA Tech-Standorten Linz und Weiz wurden Protestkundgebungen abgehalten.

In den Nachmittagsstunden hielten die Betriebsräte der VA Tech wie angekündigt an allen österreichischen Firmenstandorten Mitarbeiterversammlungen ab. Der Konzernbetriebsrat, der für den Fall einer Übernahme (samt Zerschlagung) den Verlust von tausenden Arbeitsplätzen befürchtet, hatte am Montag indirekt auch Streikmaßnahmen angedroht. Von den weltweit 17.000 Mitarbeitern beschäftigt die VA Tech rund 8.000 in Österreich, davon arbeitet der größte Teil an den Standorten Linz, Wien und Weiz (Steiermark). (APA)