Wien - Zu einer Abrechnung mit der heimischen Wirtschafts- und Budgetpolitik geriet die Analyse, die Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm am Dienstag vornahm. Besonders schlecht kommen die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) und die Gruppenbesteuerung weg.

"Die KöSt wird uns ausrinnen, denn die Gruppenbesteuerung hat keine einzige Missbrauchsklausel", warnte Muhm im Klub der Wirtschaftspublizisten. Demnach können Verluste im Ausland bis in alle Ewigkeit gegengerechnet werden, was Konzerne wohl exzessiv nützen würden und die Steuereinnahmen massiv dezimiere. Als Beispiel nannte Muhm Deutschland, wo die KöSt-Einnahmen von 28 auf neun Mrd. Euro sanken.

"Von Fairness weiter denn je entfernt"

Die Senkung der Steuerquote bei exzessiver Stützung des Beamten- und Agrarsektors sei ebenfalls bedenklich. "Die ÖVP-Klientel hängt gewaltig am Tropf des Steuerzahlers." Von der Fairness vergangener Jahre sei man weiter entfernt denn je. Wie überhaupt die wirtschaftspolitische Grundausrichtung fehle, denn Lohnsenkungen und Steuerwettbewerb dürften nicht die einzigen wirtschaftspolitischen Steuerungsinstrumente sein.

"Gemessen an ihren eigenen Zielen halte ich die Wirtschaftspolitik der Regierung für gescheitert", sagte Muhm. Das Nulldefizit etwa habe nur sehr kurz gehalten, "diverse Steuer- und Abgabensenkungen erfolgen jetzt auf Pump". Das Budget sei nicht saniert, aber die Arbeitslosigkeit auf den Rekordwert von 245.000 Arbeitssuchenden gestiegen. Was Muhm noch wurmt: Die Wenderegierung sei in den alten historischen Fehler der prozyklischen Budgetpolitik verfallen. "Die letzten vier Jahre Wachstumsverluste sind Dauerverluste. Die können nie mehr eingeholt werden."

Gott sei Dank sei die heimische Wirtschaft wettbewerbsfähig, sonst wären deren Exporte im zweiten Quartal nicht um zehn Prozent gestiegen und die Lohnstückkosten hätten sich nicht um acht Prozent verbessert.

"IV hat Grundkonsens verlassen"

Schwer tut sich die AK auch mit der Industriellenvereinigung (IV): "Was die IV offensichtlich verlernt hat, ist die Faktendiskussion." Während sich Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bemühe, bei einem gesamtwirtschaftlichen Ansatz zu bleiben, habe die IV den Grundkonsens verlassen. Es gehe nur nach der Formel "Wer das Gold hat, macht die Regel". Allerdings, schränkte Muhm beim Stichwort Arbeitszeitverlängerung ein, IV-Präsident Veit Sorger habe einen Blick für das Machbare.

Auf die Frage, wie viel Gehirnschmalz er zum SP-Wirtschaftsprogramm beigesteuert habe, sagte Muhm überraschend offen: "Gott sei Dank keines." Noch liege kein Papier vor, die Diskussion sei grundsätzlich aber richtig. Denn die Grundsatzfrage sei, ob der Wohlfahrtsstaat mit kollektiven Sicherungssystemen erhalten werden solle oder nicht. Ersteres brauche Steuereinnahmen und sei mit einem Niedrigsteuerstaat nicht vereinbar. (ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.9.2004)