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American Music Club - Love Songs For Patriots (Cooking Vinyl/Hoanzl)

Foto: Archiv
Mit "The Hula Maiden" hat Mark Eitzel 1989 für das American Music Club-Album "United Kingdom" einen der schönsten, traurigsten und zugleich auf perverse Art komischsten Urlaubssongs aller Zeiten geschrieben. Er handelt unter anderem davon, dass man in der Postkartenidylle von Waikiki sein Hotelzimmer nicht unbedingt verlassen muss. Das zum Erbrechen schöne Panorama sieht man auch vom Balkon aus und Anschluss will man schon gar nicht finden. Eine unglückliche Liebe und keine Freunde zu Hause reichen völlig. Nach einem obligaten Besäufnis bei einem All-inclusive-Barbeque hat dann man auch noch seine Seele verloren und will jetzt dringend sterben.

Mark Eitzel wählt dazu passend jenen Vortragsstil, der gewöhnlich auch Sängern in Hotelbars nachgesagt wird. Er verkauft uns mit einem Bariton, der aus dem Bierzelt kam, todtraurigste und herzzerreißendste Inhalte als hohle pathetische Pose, beobachtet und inszeniert sich also gleichzeitig als falscher Hund wie er tatsächlich innerlich zerbricht. Ein Vexierspiel mit der Tragödie. Die Band spielt dazu eine schlingernde, torkelnde und postmodern zerrissen zwischen Lounge, Bierzeltschmalz, Folklore und Rock torkelnde Version von "Es gibt kein Bier auf Hawaii", inklusive jammernder Bügelbrettgitarre, während Eitzel vorne waidwund Galle spuckt: "This is my big aloha, brought to you from the volcano state, where they serve up your soul for 3,99 Dollars a plate."

Der Song steht programmatisch für die große Kunst dieser immer auch kommerziell hochgradig unglücklich agierenden Band aus San Francisco. Eitzel, ein schwerer Trinker, der seine Sucht auch immer wieder in bedrückenden Songs wie "Outside This Bar" oder "Sick Of Food" reflektierte, sich allerdings zwischen zynischen Weltbetrachtungen wie "Dallas, Airports, Bodybags" oder "I Just Took My Two Sleeping Pills" und großartigen Alben wie "Everclear" oder "Mercury" zuletzt derart verlor, dass seine Band 1995 darüber zerbrach, versuchte sich die letzten Jahre mit Alben wie "West" als Solokünstler. Die grimmigen Meditationen über Einsamkeit, Zerrissenheit, gescheiterte Leben und Beziehungen im Zeichen des Heartcore wollten wegen einem zunehmend weniger fokussierten Songwriting aber nur mehr Wenige hören.

Dass jetzt also mit "Love Songs For Patriots" des reformierten American Music Club mit das beste Album von dessen Geschichte vorliegt, ist ein kleines Wunder. Eitzel, dessen klagende, getragene Stimme sich über die Zeiten zwar etwas aufgeraut, wegen eines zumindest immer öfter geänderten Lebenswandels aber auch zum Besseren ausgetrocknet hat, schreibt noch immer bewegende und gallige autobiographische Weltbetrachtungen von der Theke her. Im konkreten Fall bei "Patriot's Heart", dem fantastischen und mit seinen kantigen Klavierakkorden, einer in der Magengrube bohrenden Bassgitarre und einem zunehmend manischer werdenden Gesang an Nick Caves dunkle Obsessionen erinnernden Hauptsong des Albums, wird hier an der Theke einer schäbigen Strip-Bar am Leben verzweifelt: "We all want a patriot's heart!"

Obwohl noch immer dem "klassischen" Songwriting verpflichtet, das von den Brüchen her durchaus als intellektuell bezeichnet werden darf, klingt die Musik auch dank des Bandneuzugangs Marc Capelle am Klavier und Flügelhorn und dem verstärkten Einsatz elektronischer Gerätschaft auf angenehme Weise der Moderne angepasst. Man höre nur "The Devil Needs You" oder "Only Love Can Set Free". Hoffentlich hält Mark Eitzel dieses Mal durch. Ein Album des Jahres! (RONDO, DER STANDARD, Printausgabe, 10.9.2004)