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Für einige SchülerInnen bedeutet der Schulbeginn die Rückkehr in eine aggressive und furchteinflößende Umgebung. "Bullying" ist der Fachbegriff, mit dem PsychologInnen die systematische Unterdrückung einzelner SchülerInnen durch physische und psychische Gewalt umschreiben. Bisher ging man davon aus, dass es Bullying-Opfer, die von MitschülerInnen über einen längeren Zeitraum gequält werden, in allen Klassengemeinschaften gibt.

Enorme Unterschiede

"Diese Annahme wollten wir mit unserer Studie hinterfragen", wie Christiane Spiel vom Arbeitsbereich Bildungspsychologie und Evaluation am Institut für Psychologie der Universität Wien erklärt. Sie hat gemeinsam mit ihren Kolleginnen Moira Atria und Dagmar Strohmeier die Situation in 46 österreichischen Schulklassen (18 Volks- und 28 Hauptschulklassen) untersucht. "Das Thema Bullying ist von hoher Brisanz, auch international betrachtet". Das Ergebnis der aktuellen Studie zeigt, dass es enorme Unterschiede zwischen den Schulklassen gibt. Manche haben viele Bullying-Täter und -Opfer, andere gar keine.

Breite Schwankungen

Es zeigte sich, dass das "Ausmaß an Viktimisierung", wie die Wissenschafter die Zahl der Opfer pro Schulklasse bezeichnen, in der 4. Klasse Volksschule zwischen null und zehn Opfern pro Schulklasse schwankt, in der Hauptschule zwischen null und sechs Opfern. Auf der anderen Seite liegt die Zahl der Bullying-Täter in der Volksschule zwischen null und zwölf pro Klasse und in der Hauptschule zwischen null und fünf Tätern. "Es gab Klassen, die weder Opfer noch Täter aufwiesen, aber auch solche mit sehr hohen Bullying-Raten, beispielsweise eine Klasse mit zwölf Tätern und neun Opfern - und das bei insgesamt 22 Schülern", erklärte Spiel.

Entwicklungsprozess der Aggression

Besonders wichtig wäre es, so Christiane Spiel, jetzt zu untersuchen, was die einzelnen Klassen voneinander unterscheidet - was also innerhalb besonders aggressiver und was in besonders friedlichen Klassen passiert. Dabei sind der Einfluss von Eltern, LehrerInnen und das Klassenklima ausschlaggebend. "Man muss den Entwicklungsprozess der Aggression kennenlernen", so Spiel.

Bisherige Befunde zeigten, dass hohe Restriktivität in der Erziehung, Unbeständigkeit im Verhalten von Lehrern und Eltern, die Kategorisierung als "Versager", geringe Akzeptanz durch Lehrer sowie ein hohes Ausmaß an Konkurrenz und Wettbewerb in der Klasse förderlich für Gewalthandlungen sind. Wie jedoch genau die Wege zu einer "friedlichen" beziehungsweise einer "gewalttätigen" Klasse verlaufen, dazu liegen derzeit noch keine Befunde vor.

Problematische Auswertung

"Diese Daten sind aber nicht nur schwer zu erlangen, sondern auch problematisch in der Auswertung", erklärt Spiel. Die Definition von Gewalt sei nämlich international nicht einheitlich geregelt. Außerdem würden weder die Opfer noch die Täter objektiv messbare Aussagen machen. Was dem einen Opfer als gewalttätiger Angriff erscheint, bedeutet für das andere vielleicht nur eine alltägliche Belästigung. "Diese Schwankungen wurden in bisherigen Studien zu wenig beachtet", klagt Spiel. Ein Manko, das die neue Untersuchung der Uni Wien zwar nicht restlos aufklären, aber zumindest sichtbar machen kann. (az)