Vor ein paar Tagen habe ich einen traurigen Brief bekommen, traurig aus der Sicht des Briefes. Der Bekenner hat darin indirekt zugegeben, dass er es hasst, Briefe zu schreiben. Gleichzeitig hat er angedeutet, wie wichtig (ihm) dieser Brief ist. Im dritten Absatz packte ihn kurz der Ehrgeiz. Da schrieb er: "Nun, dies sollte kein Brief wie viele andere dieser Art werden."

Ein paar brutal belanglose Sätze später wurde er richtig angriffslustig: "Ich möchte Ihnen in Zukunft gerne öfter einen Brief schreiben." Danach folgten grauenhafte germanistische Selbstgeißelungen, ehe der Bekenner aufs Ganze ging: "Betrachten Sie diesen sehr persönlichen Brief als Startschuss. Als Signal für eine neue Ära der Stadtpolitik einer Partei, die sich Stadtpartei nennt."

Und dann endlich, acht Sätze vor dem Ziel, ist es heraußen: "Die Idee ist, Themen zu beschreiben und Sie dann fallweise telefonisch zu kontaktieren, um Ihre Meinung - neudeutsch ihr 'Feedback' - unmittelbar zu hören." - Ah, jetzt verstehe ich Sie, lieber Dr. Johannes "Gio" Hahn, geschäftsführender Obmann der ÖVP-Wien: Sie wollen einfach (neudeutsch) Feedback von mir. Aber gerne, darf ich gleich? - Bitte keine solchen Briefe mehr schicken, das bringt nichts. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.9.2004)