Seit 125 Jahren prüft die MA 39 die Durch- und Aushaltefähigkeiten von Bau- und Werkstoffen. Da wird hinter verschlossenen Türen gezündelt, mächtig Radau geschlagen oder aber mit Stahlkugeln auf Fenster geworfen - damit im "echten" Leben dann nichts passiert.

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Wien - Felix Kausel hat einen Beruf, den einmal auszuüben für viele fünf- bis zwölfjährige Buben ein Traum wäre - wenn sie in dem Alter schon wüssten, dass es den Job gibt: Herr Kausel ist Kaputtmacher. Berufsvandale. Und das Beste daran: Herr Kausel bekommt seine Aufträge, so harm- wie wehrlosen Gegenständen ans Leder zu gehen, nicht von Mafiatypen - sondern vom Amt.

Denn der Werkmeister, der da gerade mit Arbeitsmantel schwungvoll und konzentriert in einer Simmeringer Werkhalle den Wiener-Linien-Nothammer ("Nein, sie fragen nicht, wie wir zu dem kommen", bittet Herr Kausels Vorgesetzter) in eine Verbundglasscheibe knallt, steht im Solde der Stadt. Er ist ein magistratischer Scheiben-Eindepperer - und kein Einzeltäter: Bei der MA 39, der städtischen Versuchs und Forschungsanstalt, arbeiten neben professionellen Fenstereinschlägern auch städtische Zimmerbrandentfacher, beamtete Radaubrüder und kommunale Kanaldeckelrüttler. Unter anderem. Sie alle haben nur eines im Sinn: die Sicherheit der Allgemeinheit.

Leistungsschau

Weil "die 39er" anno 1879 - also vor 125 Jahren - als "Städtische Probirstation für hydraulische Kalke"gegründet wurde und seither unentwegt die Durch- und Aushaltefähigkeiten von Bau- und Werkstoffen testet, bat man am Donnerstag zur Leistungsschau nach Simmering.

Und so sah Herr Kausel konzentriert einer exakt 4,1 Kilo schweren Stahlkugel zu, die er aus 3,5 Metern Höhe auf eine recht bemitleidenswerte Fensterscheibe fallen ließ: Dreimal sollte sie aushalten - erst dann entspricht die "Durchwurfhemmung" jener Qualitätsnorm, die der Hersteller verspricht: Im echten Leben könnten ja Blumentöpfe, Sat-Schüsseln oder gar Pflastersteine anrauschen.

Eine F16 startet durchs Zimmer

Die Scheibe barst beim dritten Wurf - was aber zumindest die Fotografen freute: Ein intaktes Fenster ist zwar nützlich, aber ein bisserl unspektakulär. Aus nämlichem Grund wirkte auch die Demonstration, wie viel Lärm ein Schallschutzfenster "schlucken" muss (Fenster zu - leises Rauschen. Fenster auf - eine F16 startet durchs Zimmer), weniger dramatisch, als jener Test, bei dem ein (privater) Türenhersteller die Feuerfestigkeit eines Prototyps abtesten ließ.

Mit über 800 Grad leckten die Flammen auf einer Seite - und auch wenn das Türglas kochte und (zu den Flammen hin) Blasen schlug, waberte erst nach knapp 25 Minuten der erste Rauch auf der brandabgewandten Seite hervor: Test bestanden, urteilten Felix Kausels Kollegen aus der Zündelabteilung - und hielten schon nach dem nächsten Teil Ausschau, das sie in Brand stecken könnten. Von Amts wegen. Und zum Wohle der Allgemeinheit, versteht sich. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Printausgabe 10.9.2004)