Mit einem inszenierten Sexskandal versucht China die Wahlen zum Hongkonger Stadtparlament am Sonntag zu beeinflussen. Der Schuss könnte nach hinten losgehen.

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Chinas Polizei bat in der südchinesischen Stadt Dongguan überraschend Vertreter von 20 Zeitungen, darunter Hongkonger Medien, zur Pressekonferenz. Drei Wochen nach der Verhaftung von Alex Ho Wai-to, Kandidat der Demokratischen Partei bei den Hongkonger Parlamentswahlen, legte Polizeisprecher Li Zelin nun Beweisfotos vor.

Der 47-jährige Alex Ho war am 13. August bei einer Razzia mit einer Prostituierten im Hotel in flagranti erwischt und gleich fotografiert worden. Die Polizei bestrafte ihn mit sechs Monaten Administrativhaft und wies ihn ohne Gerichtsurteil in ein Besserungslager ein.

Aufnahmen des halb nackten Ho durften Hongkonger Journalisten zur Veröffentlichung mitnehmen. Die Pressekonferenz, vier Tage vor der Wahl zu Hongkongs Stadtparlament am morgigen Sonntag, machte aus der Affäre endgültig politisches Schmierentheater.

Die Auslandsausgabe des Parteiorgans Volkszeitung schilderte genüsslich, was auf den Fotos alles zu sehen war, vom schwarzen Büstenhalter, der geöffneten Packung mit Kondomen bis zu noch tieferen Einblicken.

Scheinheilig versicherten Chinas Beteiligte, sie wollten so nur Vorwürfe widerlegen, dass der Hongkonger Kandidat in eine Falle gelockt worden sei. Der verheiratete Alex Ho habe von sich aus den Kontakt gesucht.

Der Versuch, die oppositionellen Demokraten moralisch zu diskreditieren, war so offenkundig, dass er nun nach hinten losgeht. Hongkongs Medien warfen China vor, sich in die Wahlen einzumischen.

Sie reagierten noch empörter, als am Freitag Fotos von Alex Ho aus dem Umerziehungslager veröffentlicht wurden. Er spielt Basketball und lacht scheinbar glücklich in seiner Anstaltskleidung.

Hos drastische Bestrafung für ein in China weit verbreitetes "Delikt" erfüllte nicht den beabsichtigten Zweck. Am 25. August schrieb die Zeitschrift Qingnian Cankao noch voller Gewissheit, dass Alex Ho seinen Listenplatz verliere.

Nach Hongkongs Gesetzen dürfe niemand kandidieren, der eine Vorstrafe von drei Monaten habe. Aber nicht einmal Hongkong zeigte sich bereit, Chinas Willkürjustiz, bei der die Polizei ohne Richterspruch Lagerhaft verhängen kann, als rechtmäßige Verurteilung anzuerkennen.

Protestvotum erwartet

Alex Ho kandidiert daher weiter auf seinem Listenplatz für den Bezirk Kowloon East.

Nur 30 der 60 Plätze im beratenden Stadtparlament können die Hongkonger frei wählen. Mehr Demokratie erlaubt ihnen Peking trotz des Konzepts "Ein Land, zwei Systeme" nicht. Die Demokraten, die derzeit 22 Sitze haben, können so keine absolute Mehrheit erhalten.

Viele Beobachter erwarten jedoch, dass diese zum Ärger Pekings nun so viele Sitze wie noch nie erhalten und damit der Forderung nach freien Wahlen mehr Nachdruck verleihen.

Wenn das am Sonntag so kommt, hätte Peking mit seiner Farce um Alex Ho ungewollt mitgeholfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.9.2004)