Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Frau hält betend ein Heiligenbild an den Eckstein des geplanten "Freiheits- turmes", der anstelle des World Trade Centers stehen wird.

Foto: epa
"Drei Jahre sind seit dem 11. September vergangen und wir haben bisher bereits ein weiteres Versagen der Geheimdienste erlebt - dieses Mal im Irak", erklärten die beiden Vorsitzenden der so genannten "9/11-Kommission", der republikanische Exgouverneur von New Jersey, Tom Kean, und der ehemalige demokratische Kongressabgeordnete Lee Hamilton: "Der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt."

Die aus fünf Republikanern und fünf Demokraten bestehende Kommission hat seit Beginn ihrer Arbeiten im Oktober 2002 bereits mehrmals Politgeschichte geschrieben. Zunächst wehrte sich Präsident George W. Bush vehement gegen ihre Bestellung, änderte seine Meinung jedoch blitzartig auf Drängen der Familien der Terroropfer.

Zwanzig Monate lang versuchte das Weiße Haus, die Untersuchungen der Kommission insgeheim zu boykottieren, musste aber in jedem einzelnen Fall dem öffentlichen Druck weichen und den Forderungen der Kommission nachkommen. Die Weigerung der Regierung, die nationale Sicherheitsberaterin aussagen zu lassen, löste eine landesweite Kontroverse aus - also erschien Condoleezza Rice vor dem Komitee.

Bush selbst wollte seine Aussage auf eine Stunde limitieren und nur vor den beiden Vorsitzenden aussagen. Letztendlich verbrachte er mehr als drei Stunden vor dem gesamten Komitee. Allerdings nicht alleine: Seine Entscheidung, nur in Begleitung seines Vizepräsidenten Dick Cheney zu erscheinen und keinen Eid abzulegen, wurde von seinen Gegnern wochenlang ausgeschlachtet.

Alles was Rang und Namen hatte - von Expräsident Bill Clinton samt Mitarbeitern bis zu Mitgliedern der Regierung Bush, von den Spitzen des amerikanischen Geheimdienstes bis zu hochrangigen Militärs - stand mit erhobener Hand vor dem Komitee und erklärte, "die volle Wahrheit"" sagen zu wollen.

Nachdem die Kommission insgesamt 1200 Zeugen vernommen und Millionen Dokumentenseiten studiert hatte, gab sie im Sommer den "9/11 Report" heraus, der nicht nur die Geschichte des tragischen Tages im September 2001 im Detail erzählt und den Mangel von Koordination und Vorstellungsvermögen innerhalb der US-Geheimdienste kritisiert, sondern auch eine drastische Änderungen der Geheimdienststruktur vorschlägt.

Der als Taschenbuch publizierte Bericht ist heute noch Nummer eins auf der New York Times Bestsellerliste.

Auch hier reagierte Bush zunächst abwartend. Einen der wichtigsten der insgesamt 41 Vorschläge, nämlich einen neu zu schaffenden Posten eines "Superspions", eines National Intelligence Directors (NID), im Weißen Haus anzusiedeln, lehnte er sofort ab. Sein Plan, den NID als zahnlosen Tiger ohne Macht über Budget und Personal einzusetzen, stieß auf scharfe Kritik.

Im Kongress war die Reaktion anfangs ebenfalls zögerlich: Schließlich hätte man nur mehr wenige Wochen bis zu den Wahlen. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber John Kerry sprach sich für die umgehende Realisierung aller Vorschläge der Kommission aus. Seinen Äußerungen folgte weiterer Druck seitens der "9/11-Familien" und der Kommission, die sich verpflichtet hatte, auf eigene Kosten das Land zu bereisen um für ihre Vorschläge zu werben.

Resultat: Bloß im August - also zur Haupturlaubszeit - fanden sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus zwei Dutzend Hearings statt, die sich ausschließlich mit Umstrukturierungen der US-Geheimdienste beschäftigten. Letzten Mittwoch agierte auch Bush: Er würde dem National Intelligence Director "volle budgetäre Autorität" einräumen und erwarte Gesetzesvorschläge "so rasch wie möglich". (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.9.2004)