Bild nicht mehr verfügbar.

"Fakt", die polnische Version der "Bild", ist nicht einmal ein Jahr nach ihrer Gründung bereits die größte Boulevard-zeitung Polens - und im Zweifelsfall immer mal lieber EU-kritisch.

Foto: Reuters
Was unterscheidet Österreich von den neuen EU-Ländern? Bestimmt nicht die EU-Bericht-erstattung. Die findet hier wie dort meist unter der Pagina "Ausland" statt. Medial ist die EU bei den "Neuen" oft noch nicht angekommen.

***

"Offenbar denken viele Medienmacher noch immer, was in Brüssel passiert, gehe uns eigentlich nichts an", kritisiert Jirí Pehe von der privaten "New York University" in Prag, Abteilung "Communication & Mass Media". DER STANDARD fragte Pehe am Rande der "Alpbacher Mediengespräche", ob sich die EU-Berichterstattung der tschechischen Zeitungen geändert habe, seitdem das Land Mitglied in der Union ist. Laut Pehe ist das bis dato nicht der Fall: "Brüssel ist in den meisten Köpfen nach wie vor sehr weit weg von Prag."

Etwas hat sich bereits geändert. Mehr Medien als noch vor wenigen Monaten haben Korrespondenten nach Brüssel entsandt. Lange Zeit waren nur das staatliche Fernsehen und Radio sowie die Nachrichtenagentur CTK in Brüssel und Straßburg stationiert. "Der CTK-Korrespondent war gut zehn Jahre lang der einzige Brüssel-Spezialist unter den Journalisten", erzählt Robert Schuster, stellvertretender Chefredakteur von "Mezinarodni politika>, der auch für den STANDARD aus Prag berichtet. Das habe zu einer "gewissen Betriebsblindheit in der Berichterstattung" geführt.

In den meisten neuen EU-Ländern sind die wichtigsten Medienhäuser entweder mehrheitlich in ausländischer (deutscher) Hand oder werden zumindest von ausländischen Investoren mitfinanziert. In Tschechien gilt die (ehemals kommunistische) Zeitung "Pravo" mittlerweile als die "einzige tschechische Zeitung", sagt Pehe. Die Tschechen honorieren das offenbar: "Pravo" freut sich über stetig steigende Verkaufszahlen.

Quoten vor Qualität

In Polen brachte der deutsche Springer-Verlag im Oktober vorigen Jahres das Tabloid "Fakt" auf den Markt - mittlerweile das meist verkaufte Boulevardblatt in Polen. Mit Übernahmen und erfolgreichen Neugründungen im Osten gelang es Springer im Vorjahr übrigens, der Medienkrise in Deutschland zu trotzen. Nicht immer zur Freude der "Übernommenen": "Die Zeitungen werden immer reißerischer, das Fernsehen ist auf Quotenjagd und wird dabei immer schlechter", klagt etwa Tomasz Goban-Klas vom Institut für Journalismus an der Jagiellonischen Universität Krakau: "Wir haben jetzt zwar jede Menge aggressive ,hunting dogs' in den Medien, aber sie finden es nicht der Mühe wert, Check, Recheck und Crosscheck zu betreiben", klagt der Professor. Auch die durch die EU unterstützte Ausbildung junger Journalisten in Gemeinschaftsthemen habe in qualitativer Hinsicht "kaum etwas genützt": "Der wirtschaftliche Druck ist groß. Es wird ohne Rücksichten geschrieben, was Leser und Inserenten bringt."

Ähnliche Klage führte kürzlich auch Karel Hvizdala, Exchefredakteur der "Mlada Fronta Dnes", bei einer Medientagung in Niederösterreich. Das komplizierte tschechisch-österreichische Verhältnis, die "Missverständnisse" um Temelín und die Benes-Dekrete - all das werde durch junge, schlecht bezahlte Mitarbeiter in den Redaktionen, extreme Sparmaßnahmen und den Kampf um Leser und Inserenten auf einem kleinen Markt noch gefördert.

Solche Verstimmungen gibt es zwischen Österreich und Ungarn nicht. ORF-Korrespondent Ernst Gelegs meint, seit jeher gelten die Österreicher beinahe schon sentimental als "Freunde". Die Arbeitsmarktbeschränkungen vonseiten Österreichs seien daher auch als "Fußtritt eines Freundes" betrachtet worden. Gelegs: "Hier versteht niemand, warum die Österreicher seit Jahren mental einen Zaun gegen Osten errichten."

Dennoch sei die Berichterstattung nie gehässig - ganz anders als gegenüber jenen Ländern, in denen starke ungarische Minderheiten leben, etwa Slowakei, Rumänien oder Serbien. Das nationale ungarische Trauma, 1919 beim Friedensvertrag von Trianon zwei Drittel des Staatsgebiets verloren zu haben, wirke noch immer nach. Gelegs: "Oft wird auch die EU von den ungarischen Medien daran gemessen, wie sie mit dieser historischen Tatsache umgeht." (Petra Stuiber/DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.9.2004)